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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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    Gleich geht es los im Veltins-Stadion, die königsblaue Nordkurve beginnt zu singen. Aber was singen die denn, sind die noch ganz bei Trost? »Mohammed war ein Prophet, der vom Fußballspielen nichts versteht. Doch aus all der schönen Farbenpracht hat er sich das Blau und Weiße ausgedacht.« Die Hymne von Schalke, seit 1963. »Keine Beleidigung des Propheten Mohammeds«, befand unlängst der Zentralrat der Muslime. Nachdem ein paar Protestmails eingetrudelt waren, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Aiman A. Mazyek: »Also, lassen wir doch die Moschee im Dorf und versuchen, das mit Humor zu nehmen.« Die Schalker Fan-Initiative, gegründet 1993, um gegen rassistische Sprechgesänge in den Stadien zu protestieren, ist sich sicher: »Heute hat Schalke so viele türkische Fans wie kaum ein zweiter Verein.«
    Fußball ist ein echter Motor der Integration. Dies erklärt eine Frau, deren Fußballbegeisterung immer wieder bei Großereignissen bestaunt werden kann: Angela Merkel, Bundeskanzlerin. In einem Interview sagte sie der SportBild, Fußball sei ein hervorragendes Beispiel dafür, wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen Teil unseres Lebens geworden ist. Integration werde gefordert, gefördert und vor allem gelebt. Wichtig sei dabei, so die Bundeskanzlerin, »dass wir diejenigen, die sich für Deutschland entschieden haben, nun nicht ständig über ihre Herkunft definieren und mit dem Etikett Migrant verbinden«. Wir werden uns immer mehr daran gewöhnen, so Merkel, »dass Deutsche deutsch sind, auch unabhängig von ihrer Hautfarbe oder davon, ob der eine Deutsche seine Vorfahren in Thüringen hat und der andere in der Türkei«. Gut gebrüllt, Merkel. Geboren wurde Angela Kasner, genannt Kasi, zwar in Hamburg, aber die Eltern zogen mit dem Kleinkind in den Osten, sie wuchs in einem Vorort von Templin auf, tiefste Provinz. In der Nähe hat sie ein Sommerhaus, doch die meiste Zeit verbringt sie heute natürlich in Berlin und anderen Großstädten der Welt. So weiß sie, was damit gemeint ist, wenn der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid sagt: »Es ist die Nähe des Unterschiedlichsten, die Urbanität herstellt.« Und auch der Umkehrschluss gilt: Das Urbane erlaubt auch das Unterschiedlichste in nächster Nähe. So darf man, wie ein Kneipenbesucher in Essen mir glaubhaft versicherte – und wie es der Dortmunder Sundermeyer auf Recherche für sein Buch Der Pott todesmutig durchexerzierte –, auch als Borussen-Fan ins Schalker Stadion. Einzig wessen Herz für Bayern München schlägt, sollte vielleicht aufpassen, dass es nicht zu laut klopft.
»Fußball ist ein echter Motor der Integration«
    (Angela Merkel, Bundeskanzlerin)
    Unter dem Motto »Integration. Gelingt spielend.« startete die Bundesligastiftung eine Kampagne, die 2011 beim Supercup in Gelsenkirchen just zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund begann. Die Bundesliga selbst ist das beste Beispiel, dass Integration gelingen kann: Rund tausend Profispieler aus über 90 Nationen spielen dort, und von den rund 5000 Spielern in den 36 Klubs und deren Nachwuchsleistungszentren haben fast 40 Prozent einen Migrationshintergrund.
Und auch im Nationalkader finden sich immer mehr Spieler, die nicht Maier, Müller, Lehmann heißen. Gehörte 1996 bei der EM im Finale mit Mehmet Scholl nur ein einziger Spieler mit Migrationshintergrund zum deutschen Team, waren 2012 acht im DFB-Kader für die EM.
    Das Motto des DFB lautet: Integration fängt bei mir an.
    Die Zwillinge Halil und Hamit Altintop spielten 2006 bei Schalke 04. In einem Interview mit der ZEIT sagten die Brüder: »Wenn es lauter wird, reden wir türkisch. Wenn wir normal miteinander reden, auf Deutsch.« Sie seien mit den verschiedensten Kulturen aufgewachsen. »Wir waren bei unseren Schulfreunden zu Hause. Da sahen wir, wie die Bosnier leben, wie sie essen, wie sie sich gegenüber ihren Eltern verhalten, wie das bei den Deutschen ist und bei den Arabern.« Auf die Nachfrage, ob die Ethnien nicht eher unter sich blieben, antwortete Hamit: »Ich weiß nicht, wie es anderswo ist in Deutschland, aber im Ruhrpott ist das nicht so.«
    Menschen in der Stadt sind schlichtweg an ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten gewöhnt und gestehen sich dadurch wechselseitig größere Spielräume zu. Ein Zentrum des urbanen Gefühls, so die Wiener Historikerin Ute Frevert in einem Interview im ORF, befinde sich »mit Sicherheit in den Arenen des Sports, den Fußballstadien und ihrer Umgebung, aber auch

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