Stählerne Jäger.
unschuldig – und ihrer eigenen Überzeugung nach natürlich auch.
Viele kamen aus gewalttätigen oder von Unterdrückung geprägten Milieus, an denen sie oft selbst schuld waren. Nachdem sie vor kurzem den Schmerz, die Schande, die Demütigung und den Verrat ihrer Verhaftung und die kalte Gleichgültigkeit der Aufnahme erduldet hatten, standen sie jetzt vor einem Strafprozess, dessen juristische Terminologie ihnen Rätsel aufgab, und einer Ungewissen Zukunft, während ihr Verfahren sich quälend lange hinzog.
Die Spannung war selbst in friedlichen, so genannten normalen Zeiten fast mit Händen zu greifen. Aber was zur Zeit im Sacramento County ablief, hatte nichts Normales an sich. Im Gefängnis hatten nach der Ermordung von Mitgliedern der Satan's Brotherhood drohende Vergeltungsmaßnahmen und eskalierende Bandenkriege die allgemeine Angst noch weiter geschürt.
Sie hatte auch die Gefängnisverwaltung erfasst, die nun mehr Wachen, Hunde und Waffen einsetzte, um ihre Angst zu kompensieren, was in einer Art Schneeballeffekt noch mehr Angst erzeugte.
Patrick hatte heute einen verhältnismäßig ruhigen Tag erlebt, Einzelhaft bedeutete, dass Biker, Neonazis, Verfechter der Überlegenheit der weißen Rasse und andere Spinner, die es auf ihn abgesehen hatten, nicht viel an ihn dachten. Bewegte er sich draußen zwischen den Häftlingen, achtete er mehr oder weniger erfolgreich auf Abstand. Im Allgemeinen hatte ein Wärter den Auftrag, auf die Insassen in Einzelhaft zu achten, um hoffentlich rechtzeitig eingreifen zu können.
Auf der Gemeinschaftsfläche jedes Stocks standen zehn am Boden festgeschraubte sternförmige Stahltische mit je fünf festgeschraubten Stühlen. Heiße Mahlzeiten wurden in der Küche zubereitet, auf Papptellern auf Kunststofftabletts gestellt und auf großen Wagen vor die Tische geschoben. Gegessen wurde mit Plastikbesteck. Die Häftlinge nahmen sich eine Mahlzeit –
mit Fleisch oder vegetarisch – , ein Getränk und eine Nachspeise und suchten sich einen Platz.
Normalerweise gab es im Gefängnis keine Trennung, außer wenn Häftlinge krank oder sehr gewalttätig waren. Die Häftlinge nahmen sie jedoch vor – Schwarze saßen bei Schwarzen, Weiße bei Weißen, Hispanier bei Hispaniern. Im Allgemeinen waren so viele Plätze frei, dass die Mitglieder rivalisierender Banden weit voneinander entfernt sitzen konnten. Aber selbst wenn Gedränge herrschte, wussten die Häftlinge, dass man bei den Mahlzeiten keinen Streit anfing. Außerdem war das Gefängnis trotz der hier herrschenden Spannung keine Einrichtung für hartgesottene Verbrecher. Die Insassen warteten auf ihren Prozess, waren noch nicht schuldig gesprochen und verurteilt. Die meisten kümmerten sich um ihren eigenen Kram und wollten keinen Ärger.
Patrick nahm sich das erste vor ihm stehende Tablett; er wollte nicht wählerisch erscheinen oder die in der Schlange hinter ihm Wartenden aufhalten. Er goss sich einen Pappbecher Wasser ein, holte eine Tüte Milch aus der großen Eiswanne, nahm einen kleinen Schokoladekuchen von der Nachspeisentheke und fand einen Platz zwischen zwei älteren Häftlingen. Heute gab es »Salisbury-Steak«: ein Stück undefinierbares Fleisch in einem See aus schleimiger Soße mit zerkochten Karotten, matschigem Kartoffelbrei mit noch mehr Soße und einer Scheibe altbackenem Weißbrot, das durch Dampf eine Andeutung von Frische zurückbekommen hatte. Die beiden Alten rechts und links neben Patrick sahen zu ihm hinüber, hielten aber den Mund.
Alles auf dem Pappteller schmeckte ziemlich gleich, was nach Patricks Ansicht über das Gefängnisleben typisch war. In gewisser Weise erinnerte es ihn die Zeit, als er beim Strategie Air Command Bereitschaftsdienst in Atombombern geschoben hatte: das durch Sirenen, Glocken, Pfeifen, Gebrüll und die Lautsprecheranlage regulierte Leben; die Einförmigkeit von allem vom Essen bis zu den Uniformen; die straffe Disziplin und vor allem der Mangel an Freiheit. Natürlich war das alles nicht wirklich vergleichbar. Aber Patrick fiel es erstaunlich leicht, sich in seine Zeit beim SAC zurückzuversetzen, als er im Namen der nuklearen Abschreckung alle drei Wochen sieben Tage lang eine ungewollte, aber freiwillig abgeleistete Haftstrafe auf sich genommen hatte. Da er diese Bereitschaftsdienste immer gehasst, die vergeudete Zeit und die verschwendeten Ressourcen beklagt hatte, erschien es Patrick wie eine Ironie des Schicksals, dass er jetzt darauf vertraute, dass die Erinnerung
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