Stählerne Jäger.
gleich einordnen konnte. Die Vernehmungsräume waren besetzt, deshalb wurden die Verhafteten mit Handschellen an die Bänke entlang der Wände des Raums gefesselt, während die Cops sie befragten, Vordrucke ausfüllten und miteinander schwatzten. Da Paul schon zum zweiten Mal in dieser Nacht im Gefängnis war, fiel er unter die für die Praxisausbildung aller Rookies geltende Dreierregel: beim ersten Mal zusehen, beim zweiten Mal selbst machen und beim dritten Mal in der Lage sein, andere darin zu unterweisen. Die Lernkurve hier draußen, das hatte er schon gemerkt, war steil wie der Mount Everest.
Da Paul es geschafft hatte, einen Teil der Schreibarbeit schon auf der Fahrt ins Gefängnis zu erledigen, war er nach wenigen Minuten mit dem Rest fertig. LaFortier kontrollierte seine Eintragungen. »Scheint alles in Ordnung zu sein«, sagte er. »Aber nur vier Päckchen Meth minderer Qualität, kaum hundert Dollar wert – bei der hier herrschenden Überfüllung kommt er in einer Stunde wieder frei.«
»Er ist aber einschlägig vorbestraft, Cargo«, sagte McLanahan und wedelte mit dem Computerausdruck des Vorstrafenregisters des Festgenommenen. »Er ist schon mal wegen versuchten Drogenhandels verurteilt worden…»
»Aber was er diesmal bei sich gehabt hat, reicht nicht für eine Anklage wegen versuchten Drogenhandels aus«, unterbrach LaFortier ihn. »Nur vier Päckchen, keine Kundenliste, kein Packen Bargeld, nicht in einem Gebiet mit hoher Kriminalität angetroffen – obwohl er bei der Verfolgungsjagd in ein Viertel geraten ist, das er wegen seiner Bewährungsauflagen nicht hätte betreten dürfen. Aber das ist dann natürlich nicht seine, sondern unsere Schuld. Der Richter setzt fünftausend Dollar Kaution fest, seine Frau oder Freundin bringt die fünfhundert Dollar Bürgschaft auf, und er ist wieder auf freiem Fuß. Bei der Verhandlung würde ich als sachverständiger Zeuge aussagen, dass er den Stoff verkaufen wollte, aber wenn er einen guten Anwalt hat, wird das Verfahren wegen Drogenbesitzes schon vorher eingestellt, und unser Mann bekommt schlimmstenfalls ein bis zwei Monate wegen Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen aufgebrummt ,..«
»Fast nicht der Mühe wert«, meinte Paul.
»Na, schon etwas kampfesmüde, Rookie?«, fragte LaFortier belustigt. »Sie sind erst ein paar Stunden auf der Straße und bereits frustriert? Willkommen in der Realität. Machen Sie sich keine Sorgen um die Strafverfolgung, konzentrieren Sie sich lieber auf Festnahme und Beweismaterial. Schlampig arbeitende Cops verschulden mehr Freisprüche mangels Beweisen als schlecht argumentierende Staatsanwälte – das erzählen sie uns jedenfalls gern. Los, wir liefern unseren Mann ab, damit wir wieder auf die Straße kommen.« Mit den ausgefüllten Vordrucken in der Hand stellten LaFortier und McLanahan sich an, um ihren Verhafteten einzuliefern. Wegen des großen Andrangs dauerte das seine Zeit.
Als Erstes unterzog eine Krankenschwester ihn einer raschen Untersuchung. Als dabei alte Einstiche an seinen Armen entdeckt wurden, wurde ihm eine Blutprobe entnommen, die auf HIV-Antikörper untersucht werden würde. Nach zwanzigminütiger Wartezeit führten sie ihn zum Annahmeschalter, wo sie einem Sergeanten ihre ausgefüllten Vordrucke vorlegten. Der Häftling wurde registriert, nochmals einer Leibesvisitation unterzogen und dann in eine Einzelzelle gesteckt, in der er bleiben würde, bis Photos, Fingerabdrücke und das Ergebnis des AidsTests vorlagen, der darüber entscheiden würde, ob der Mann in eine Gemeinschaftszelle oder eine medizinische Isolierzelle kam. Sobald sie ihren Mann abgeliefert hatten, gingen LaFortier und McLanahan in die Tiefgarage zurück.
»Wir müssen den Zeitbedarf pro Einlieferung auf unter eine Stunde drücken, Rookie – inklusive Fahrzeit«, sagte LaFortier.
Sein Funkgerät piepste. LaFortier hörte, wie eine vertraute Stimme einen Stromausfall im Unterhaltungskomplex Sacramento Live! meldete, und stellte das Gerät leiser, damit er mit seinem Partner reden konnte. »Ich nehme mir Zeit für Sie, damit Sie dieses Zeug richtig lernen und sich angewöhnen, sorgfältig zu arbeiten, und all dieser Scheiß. Aber wir gehören auf die Straße, nicht ins Gefängnis. Also werden wir ab sofort daran arbeiten, unsere Einlieferungszeiten zu drücken.« Ihm fiel McLanahans geistesabwesender Gesichtsausdruck auf. »Alles in Ordnung, Rookie?«
»Das Gefängnis deprimiert mich ein bisschen«, gab McLanahan zu.
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