Stählerne Schatten
aufblasbare oder hölzerne Köder werden also nicht dargestellt. Aber bevor wir zu suchen beginnen, lasse ich weitere Einzelheiten überprüfen. Wir wissen, daß im voraus vermessene Startpunkte von einem Stacheldrahtzaun umgeben sind. Also weise ich den Computer an, solche Echos darzustellen.«
»Dieses Radar kann Dinge orten, die so klein sind wie ein Zaun?«
»Mühelos«, versicherte McLanahan ihm. Tatsächlich wurden mehrere derartige Ziele dargestellt. McLanahan führte seinen Cursor zu einem Lichtpunkt in der Nähe einer Landstraße und sprach einen kurzen Befehl. Der Lichtpunkt wurde größer, bis er den gesamten Bildschirm ausfüllte. Zu Jamiesons Überraschung konnte er das vermeintliche Ziel leicht identifizieren. »Scheiße, das sieht wie ‘ne Melkanlage aus!«
»Richtig«, bestätigte McLanahan. Das Bild war scharf und deutlich wie eine bei Tageslicht gemachte Schwarzweißaufnahme. Er ließ es verschwinden und rief den nächsten Lichtpunkt auf. Nachdem er automatisch vergrößert worden war, hatten sie vor sich, was sie suchten. »Das ist eine!«
Jamieson war verblüfft. Das Radarbild zeigte unverkennbar eine Boden-Luft-Rakete SA-10 Grumble, die etwa der amerikanischen Patriot entsprach, auf ihrer fahrbaren Abschußrampe.
Alle Einzelheiten waren zu erkennen; die Steuerflächen, die Form der Bugkappe, sogar die offene Fahrertür des Transportfahrzeugs, »Unglaublich!« rief er aus. »Verdammt, wir haben tatsächlich eine mobile SA-10 entdeckt!«
McLanahan tippte einen kurzen Befehl ein. »Und jetzt wissen NSA und Intelligence Support Agency auch, wo sie ist«, sagte er. »Wir sollen hier noch eine Viertelstunde kreisen – mal sehen, ob wir weitere finden können.«
Während sie weiterkreisten, überprüfte McLanahan systematisch alle Lichtpunkte auf dem Bildschirm seines Supercockpits. In dieser Viertelstunde entdeckten sie im Raum Bandar Abbas noch sechs unbekannte Fla-Raketenkomplexe – und mehrere Scheinstellungen in unmittelbarer Nähe. Die Iraner hatten einfach ein gußeisernes Kanalrohr in richtiger Länge auf einen Tieflader gelegt, was einen Köder ergab, der einer echten SA-10 Grumble auf den ersten Blick sehr ähnlich war.
»Radarwarner ohne Anzeige«, stellte McLanahan fest. »Bisher nur Suchradar. Greifen wir an?«
»Klar doch«, antwortete Jamieson.
»Achtung, Bombenklappen«, sagte McLanahan. »Klappen gehen auf… jetzt… « Die beiden hörten das leise Rumpeln, mit dem die vier scheunentorgroßen Bombenklappen ihrer B-2A sich öffneten. Im nächsten Augenblick erschien auf dem Bildschirm des Radarwarners eine von einer Raute umgebene Zahl 10, und sie hatten ein noch leises, langsames Diedel… diedel…
diedel… in ihren Kopfhörern, »SA-10 sucht… «
»Los, komm schon«, murmelte Jamieson, »wirf sie ab, Hundesohn, wirf sie ab!« Ihre B-2A war jetzt am verwundbarsten: bei offenen Bombenklappen entsprach ihr Radarquerschnitt etwa ihrer wahren Größe. Und die Flugbahnen der Abwurflenkwaffen führten genau zu ihr zurück und verschafften der feindlichen Luftabwehr die Chance, einen milliardenteuren Stealthbomber vom Himmel zu holen.
»Magazin gedreht… Achtung, Lenkwaffenstart… Nummer eins weg… zwo weg… « Jamieson hatte einen Ruck oder dergleichen erwartet, wenn die fast zwei Tonnen schweren Lenkwaffen das drehbare Magazin verließen, aber er spürte nichts.
Lediglich auf seinem MDU waren Symbole zu sehen, die den dargestellten kleinen Bombenschacht verließen.
Die Raute um die Zahl 10 auf dem Radarwarner begann jetzt zu blinken, und der Warnton wurde zu einem aufgeregt höheren Diedeldiedeldiedel. »Höhenfinder aktiv!« rief McLanahan.
Er berührte die Knöpfe MAWS und ECM des Supercockpits.
»Magazin rotiert… Achtung!… drei weg… vier… fünf… sechs Lenkwaffen weg… Bombenklappen hoch… Bombenklappen geschlossen… «
In diesem Augenblick begann die Zahl 10 und die Raute zu blinken, und eine Computerstimme meldete: »RAKETENSTART… RAKETENSTART… « McLanahan drückte sofort auf seine beiden Knöpfe. Das Missile Approach and Warning System der B-2A war ein aktives Abwehrsystem, das den Bomber tatsächlich schützen sollte, anstatt nur das Zielsuchsystem der Lenkwaffe zu stören. Sobald der Start einer SA-10 entdeckt war, wurde am Heck der B-2A eine kleine Radarkuppel ausgefahren, und das Radar begann den Himmel nach der Fla-Rakete abzusuchen.
Das MAWS-Radar ALQ-199 verfolgte die anfliegende Lenkwaffe und zeigte ihre Position auf dem
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