Stahlfront 1: Die Macht aus dem Eis
rechte Fenster hereinjagenden Fahrtwinds übertönte.
I'm back on my feet again I'm flying high Watching my back again or I could die
(Status Quo - Rossi/Frost)
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3. Machtkampf
Während über dem Pazifik noch tiefe Nacht herrschte, hatte über Berlin ein neuer Tag begonnen, und Magnus Wittmann ahnte, daß er mies werden würde.
Mulisch hatte die Mitarbeiter seines Bereichs zu einer Konferenz gebeten. Wittmann war klar, was kommen würde: Der Posten seines Abteilungsleiters mußte nach der Pensionierung des bisherigen Amtsinhabers neu besetzt werden. Magnus hatte sich vor mehr als drei Monaten auf die Stelle beworben - und seitdem nichts mehr gehört. Sehr erfolgversprechend sah das nicht aus.
Daher war er auch nicht besonders verwundert, als Mulisch in Begleitung einer jungen Frau den Raum betrat, die eindeutig einen »Migrationshintergrund« hatte, wie zu formulieren es die »politische Korrektheit« heute verlangte: dunkle Augen über einer viel zu großen Nase, pechschwarze Haare und ebenso schwarze buschige Augenbrauen, schätzungsweise 75 Kilo bei nur wenig mehr als 1,60 Meter Körpergröße. Die Frau war jung, jünger als Wittmann.
Mulisch trat an seinen Platz, blieb aber stehen. Die Frau neben ihm setzte sich. Der Bereichsleiter räusperte sich, es wurde still im Raum. »Guten Morgen, meine Herren.« Mulisch machte eine Kunstpause und blätterte in der Akte, die er mitgebracht hatte. Man sah ihn niemals ohne Akte unter dem Arm. Vermutlich brauchte er sie, um sich daran festzuhalten. »Wie Sie alle wissen, war nach Weißmüllers Pensionierung der Abteilungsleiterposten vakant. Ich weiß, daß einige von Ihnen auf die Stelle spekuliert haben .« , sein Blick schweifte in die Runde und traf nicht nur zufällig den Wittmanns, ». aber meine Vorgesetzten haben sich dazu entschlossen, den Posten mit der bestqualifizierten Frau zu besetzen, die es im Amt gibt. Ich darf Ihnen Aysche Demirel aus unserer Niederlassung in Bonn vorstellen. Sie wird die neue Abteilungsleiterin .«
Gedämpftes Murmeln wurde laut. Offenbar war Wittmann nicht der einzige, dem diese Personalentscheidung nicht gefiel. Mulisch sah erneut in die Runde. »Ich erwarte, daß jeder von Ihnen bedingungslos und vertrauensvoll mit Frau Demirel zusammenarbeitet. Das war's für heute. Wittmann, haben Sie gleich einen Augenblick Zeit für mich? In fünf Minuten in meinem Büro.«
*
Mulisch hob kaum den Kopf von den Akten, als Wittmann eintrat. »Setzen Sie sich. Ich habe von Ihrer kleinen Eskapade gestern abend gehört. Meinen Glückwunsch. Gäbe es mehr Männer wie Sie, sänke die Verbrechensrate gegen null. Leider sieht man das nicht überall so .«
Magnus wollte etwas sagen, doch der Bereichsleiter schnitt ihm das Wort ab. »Ich weiß, daß Sie enttäuscht sind. Ich bin es auch. Ich habe Ihre Bewerbung auf die Stelle des Abteilungsleiters befürwortet .«
»Und wieso wurde dann. ?« Wittmann ließ die Frage im Raum hängen.
Mulisch zündete sich eine Zigarette an. Das war in Gebäuden des Bundes zwar nicht gestattet, aber wer wollte es Mulisch verbieten? Wo kein Kläger, da kein Richter. »Hören Sie, Wittmann, mir geht diese Quotengleichmacherei in unserem Staat mittlerweile genauso auf die Nerven wie Ihnen. !«
»Sie ist nicht nur eine Frau, sondern auch eine Türkin !«
»Frau Demirel ist Deutsche wie Sie und ich! Sie wurde hier geboren, sie hat den deutschen Paß !«
»Aber sie wurde ausgewählt, weil sie türkische Vorfahren hat. Darauf verwette ich ein Monatsgehalt !«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen im Raum. Es sah so aus, als wäre Mulisch ähnlicher Ansicht, auch wenn er das nicht offen zugeben konnte. Dann räusperte er sich. »Nehmen Sie die Dinge so hin, wie Sie sind, Wittmann! Es hat keinen Zweck, gegen Windmühlen anzukämpfen. Ich weiß um Ihre Qualifikation und werde mich weiterhin bemühen, Ihre Karriere nach Kräften zu fördern !«
»Sie sind ein anständiger Mann, Mulisch, und ich glaube Ihnen. Aber ich fürchte, Sie überschätzen Ihre Möglichkeiten. Sehen wir den Dingen ins Auge: Leute wie ich gelten nicht mehr viel in diesem Land. Und ich will verdammt sein, wenn ich gegen meine Überzeugung zu Ihrem oder gar Demirels Glauben konvertiere, nur um meine Karriere anzuschieben. Bevor ich auf Socken in die Moschee laufe, gehe ich lieber nach Afrika. Da weiß man Männer mit Kampferfahrung noch zu schätzen !«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stand Wittmann auf und verließ den Raum. Er war keine
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