Stahlfront 1: Die Macht aus dem Eis
and one is two I'll be creepin' up on you
(Status Quo — Parfitt/Edwards)
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5. Gewissenskampf
Das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war Wittmanns neue Vorgesetzte. »Hier Demirel. Kommen Sie in mein Büro. Ich habe einen Auftrag für Sie .«
»Aber.« Verblüfft starrte Magnus den Hörer an. Die kleine Dicke hatte schon aufgelegt.
In aller Ruhe machte er sich einen Kaffee und schlurfte dann gemütlich über den Flur. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Aysche Demirel zu ertragen. Von ihr begeistert sein mußte er nicht. Sobald er nur an sie dachte, hatte er ihre riesige Nase vor Augen. Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Es war kein Wunder, daß Dinge wie Schleier und Burka in dem Kulturkreis erfunden worden waren, dem Demirel entstammte.
Grußlos betrat er ihr Büro. Ohne aufzusehen, schob sie ihm eine Akte zu. »Den Fall übernehmen Sie !«
»Worum geht es ?«
»Volksverhetzung. Staatsanwalt Lingen ermittelt, Richter Gerads hat den Durchsuchungsbeschluß ausgestellt .«
Wittmann blätterte mäßig interessiert in der dünnen Akte. »Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, aufgrund erfolgter Verifizierung einer IP-Adresse nach Eintrag einer fremdenfeindlichen Bemerkung in einem Internetforum eine Volksverhetzung begangen zu haben .« Irritiert sah er auf. »Sehe ich das richtig? Sie setzen mich auf einen Spinner an, der irgendwo in einem Forum rumtrollt? Ist Ihnen eigentlich klar, daß gerade ein Krieg zwischen den USA und China tobt? Meinen Sie nicht, wir hätten Wichtigeres zu tun ?«
Daraufhin sah seine neue Vorgesetzte erstmals auf.
Sie erinnerte Magnus an einen Pitbull, der sich noch nicht schlüssig war, ob er zuschnappen sollte oder nicht. »Der Beschuldigte hat nicht nur rassistische Hetze in ein Internetforum geschrieben. Er war auch Rottenführer bei der ehemaligen Waffen-SS. Diese Kerle glauben wohl, sie müßten niemals aufgeben !«
»Wissen Sie überhaupt, was ein >Rottenführer< war? Der Rang entsprach dem des Obergefreiten beim Heer .« Wittmann schaute nun intensiver in die Unterlagen. »Der Beschuldigte Baumbach ist Jahrgang 1925, geboren am 7. April. Der war nichts weiter als ein Schütze Arsch, bei Kriegsende gerade zwanzig geworden .«
»Um so schlimmer, daß er selbst heute noch seine abscheuliche Propaganda verbreitet. Die Kripo führt die Hausdurchsuchung durch, und Sie werden die Aktion für uns begleiten und beaufsichtigen. Wenn ehemalige Angehörige der SS im Spiel sind, muß der Verfassungsschutz wachsam bleiben. Guten Tag.«
*
Die Adresse lag draußen im Grunewald, im feinsten Villenviertel der Stadt. Bei einem Anruf im Polizeipräsidium hatte man Wittmann mitgeteilt, die Kollegen wären schon unterwegs zu der Hausdurchsuchung, würden aber selbstverständlich gern auf ihn warten - eine Ecke weiter, damit der Beschuldigte nicht gewarnt würde.
Wittmann erkannte das Zivilfahrzeug der Polizei sofort: ein alter Opel, ungepflegt, leicht schäbig im Lack. Einmal mehr empfand er Verbitterung darüber, daß der Staat trotz enorm hoher Steuereinnahmen nicht in der Lage zu sein schien, seine Bediensteten angemessen auszustatten.
Als er allerdings Kriminalhauptkommissar Hausen am Steuer des Dienstwagens entdeckte, war das Gefühl vergessen. Ausgerechnet Hausen.!
Magnus klopfte an das Seitenfenster des Opels. Hausen blickte auf - und verzog das Gesicht. Er hatte also auch nicht gewußt, mit wem er bei diesem Einsatz zusammenarbeiten mußte. Der Mann an seiner Seite war der jüngere, schweigsame Kollege, mit dem Wittmann ebenfalls schon Bekanntschaft geschlossen hatte.
Die beiden Kriminalbeamten stiegen aus. Der Jüngere hielt eine Akte in der Hand - vermutlich ein Duplikat derjenigen, die Magnus von Demirel bekommen hatte. Geflissentlich übersah er Hausens ausgestreckte Hand.
Der jüngere Beamte brach das peinliche Schweigen: »Wollen wir's hinter uns bringen ?«
Hausen nickte stumm und stapfte los. Die Häuser hier standen alle einzeln auf großen, meist sehr gepflegten Grundstücken. Manche der mächtigen Bäume waren wohl genauso alt wie die Gebäude, die überwiegend aus der Zeit vor dem Krieg stammten - vor dem Ersten Weltkrieg.
Die drei Männer bogen in eine kleine Seitenstraße ein. Zielstrebig ging Hausen auf eines der kleineren Häuser zu. Das schätzungsweise mehr als einhundert Jahre alte Gebäude hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, der kleine Vorgarten war alles andere als gepflegt.
Wittmann hielt sich zurück, ließ die beiden
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