Stahlfront 1: Die Macht aus dem Eis
auch noch darin. Nein, er war nicht paranoid: In diesem Staat lief eine gigantische Verschwörung der Herrschenden gegen das gemeine Volk ab.
Aber an dieser Verschwörung würde er sich nicht länger beteiligen. Er würde sich am Mittwoch nicht zum Dienst melden, das stand fest. Er würde untertauchen. Niemand wußte besser als er, wie man erfolgreich von der Bildfläche verschwand. Aber vorher würde er einen Fall lösen, den die »da oben« offenbar absolut nicht gelöst haben wollten: den Fall Baumbach.
Er rief seinen Freund Manfred an und versprach ihm eine Bombenstory. Er sagte ihm nichts davon, aber ihm war klar, daß die großen Magazine auch diese Geschichte niemals bringen würden. Doch Behrens war nicht besonders erfolgreich als freier Journalist und arbeitete deswegen vor allem für kleinere Zeitungen. Eine von denen würde die Reportage schon bringen. Sie konnten doch nicht alle in diesem Geheimhaltungskartell stecken!
Manfred war nicht gut drauf am Telefon. Offenbar hatte er mal wieder Krach mit seinem deutlich älteren Freund Ulf. Als Magnus ihm ein Wochenende in Bayern anbot und ihm erklärte, daß er nicht nur das Hotel zahlte, sondern auch ein Doppelzimmer gebucht hatte, willigte er sofort ein.
Noch an diesem Abend packte Magnus seine Reisetasche. Als Soldat war er es gewohnt gewesen, mit kleinem Gepäck zu reisen. Es war ihm bewußt, daß er auf all das, was er nicht einpackte, für immer verzichten mußte. Aber die Auswahl fiel ihm nicht schwer, denn Magnus war kein Mann, der sein Herz an irgendwelche toten Gegenstände hängte.
Als er am nächsten Morgen seine Wohnung verließ und sorgfältig hinter sich verschloß, war er sich absolut klar darüber, daß er sie niemals wiedersehen würde.
*
Die Fahrt ins Allgäu verlief ereignislos. Manfred schüttete einmal mehr sein Herz über Ulf aus, der seine Finger einfach nicht von anderen Männern lassen konnte, vorzugsweise von strammen Burschen um die Zwanzig. Magnus kannte diese Elogen zur Genüge, und sie langweilten ihn. Wenn Manfred so unglücklich mit Ulf war, warum trennte er sich nicht von ihm?
Keiner der beiden ahnte, daß diese eigentlich längst überfällige Trennung in dem Moment faktisch vollzogen worden war, als Manfred zu Magnus ins Auto stieg.
Das Hotel Lärchenhof in Aue war ein ansehnliches Gebäude, das im Laufe der Jahre durch mehrere Anbauten erweitert worden war. Es stand in einem eigenen Park auf einem Hügelkamm, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Allgäuer Alpen hatte, deren nördlichste Berge sich gleich auf der anderen Seite des Tals erhoben.
Magnus hatte ein großes »Königszimmer« gebucht und bei der telefonischen Bestellung Wert darauf gelegt, daß die Betten einzeln aufgestellt waren.
Als Manfred das Arrangement sah, war er vielleicht ein ganz klein wenig enttäuscht, ließ sich aber nichts anmerken.
Das Abendessen wurde im Wintergarten serviert, von dem aus man einen grandiosen Blick auf die Berge und den Sonnenuntergang hatte. Bis zur Zugspitze reichte der Blick in der klaren Abendluft.
Während Manfred schon an den Tisch ging, wandte sich Magnus noch an den Hotelier, der hinter der kleinen Rezeption stand und mit allerlei Aufgaben beschäftigt schien. Er sah lächelnd auf: »Ist das Zimmer zu Ihrer Zufriedenheit, Herr Wittmann ?«
»Alles bestens. Aber davon bin ich auch ausgegangen. Schließlich ist mir der Lärchenhof wärmstens empfohlen worden .«
»So etwas hört man immer gern. Von wem?«
»Von Ernst Baumbach. Erinnern Sie sich an ihn, Herr Lycée ?«
Der Name ließ gleich eine Reihe von Alarmglocken bei dem Hotelbesitzer läuten, das konnte er nicht verbergen. Er war ein schlechter Schauspieler, fing sich aber gleich wieder und sagte freundlich: »Baumbach, Baumbach, ja, ich glaube, ich erinnere mich. Der Herr war schon einmal unser Gast. Angenehmer Zeitgenosse.«
»Sie brauchen mir nichts vorzumachen. Er war Stammgast. Und er hat mir vor seinem Tod noch verraten, daß ich hier in Ihrem Haus Herrn Heinrich Geyer treffen kann !«
»Baumbach ist tot? Das tut mir sehr leid. Na ja, er war schon sehr alt .«
»Aber noch kerngesund. Er starb an einer Kugel im Kopf. An einer Polizeikugel.«
Diesmal konnte Lycée sein Erschrecken nicht einmal ansatzweise verbergen. »Die Polizei? Aber wieso.?«
»Das wissen Sie genau. Doch ich versichere Ihnen, daß er weder etwas verraten hat noch daß die Polizei etwas in seinem Haus finden konnte, dafür habe ich persönlich gesorgt. Und nun muß
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