Stahlfront 1: Die Macht aus dem Eis
errichtet. Im Schein der Laternen, die die Straße zwischen den Gebäuden beleuchteten, sah Magnus die Silhouette eines weiteren Bewaffneten im Kampfanzug auf der anderen Seite des Bachs. Der kam aufs Ufer zu und stieg dann zögernd in das maximal knöcheltiefe Wasser.
Auf Magnus' Wink hin hatten sich Manfred und Geyer tief unter einen Busch am Ufer gedrückt. Magnus hockte bewegungslos da und sah in der Dunkelheit aus wie ein Haufen Erde oder ein Stein.
Als der Uniformierte erkannte, daß unmittelbar vor ihm ein Mensch war, hatte er keine Chance mehr.
Wie von einer Stahlfeder geschnellt schoß Magnus empor und zog dem völlig überraschten Gegner das Messer blitzartig über den Hals. Der Polizist ließ die Waffe fallen und packte sich mit beiden Händen an die Kehle, aber außer einem leisen Gurgeln brachte er keinen Ton mehr hervor.
Magnus stieß ihn zu Boden und rammte ihm das Messer noch einmal bis ans Heft seitlich in den Hals. Die Blutzufuhr zum Gehirn wurde augenblicklich unterbrochen, der Mann starb.
Doch es war kein Mann. Mit dem Stich hatte Magnus auch den Kinnriemen des Kampfhelms durchtrennt. Der rollte vom Kopf des Sterbenden und gab eine lange, wallende Mähne frei.
Verdammt! Er hatte gerade eine Frau umgebracht!
Nun, das war nicht sein Fehler gewesen. Er winkte den beiden anderen, ihm zu folgen, und huschte davon. Sie mußten die kleine Neubausiedlung mit ihrer Straßenbeleuchtung umgehen.
Äußerlich war Magnus kühl und gelassen, doch innerlich fluchte er voller Verzweiflung. Scheiß-Emanzipation! Ein Mann sollte niemals dazu gezwungen werden, eine Frau zu töten. Frauen hatten in kämpfenden Einheiten nichts verloren!
Nur langsam beruhigte er sich wieder. Die Tussi war freiwillig der Kanzlerverfügungseinheit beigetreten. Auch heute noch konnten sich Männer nicht immer dagegen wehren, vom Staat zu Kampfeinsätzen verpflichtet zu werden. Doch Frauen waren stets und ausschließlich freiwillig bei kämpfenden Truppen -auch wenn die Kanzlerin so etwas gern sah, wie sie häufig genug betont hatte. Wie hatte sie noch gleich gesagt? »Frauen brauchen heute nicht mehr zu beweisen, daß sie Männern auf ausnahmslos allen Gebieten ebenbürtig sind .«
Nun ja, sehr ebenbürtig war ihm seine Gegnerin vorhin nicht vorgekommen. Egal. Es war nicht seine Schuld. Wer sich in Gefahr begab, kam darin um. Auch als Frau. Gerade als Frau.
*
Als sie die Siedlung umgangen hatten und am Rand einer Kuhweide kauerten, deutete alles darauf hin, daß sie den Polizeikordon durchdrungen hatten. Im Feuerschein des Hügels sahen sie immer wieder einmal eine dunkle Gestalt, hörten gebellte Befehle. Aber alle Einsatzkräfte befanden sich zwischen ihnen und dem ehemaligen Hotel.
»Was nun ?« flüsterte Magnus. »Alles was wir haben sind drei Badehosen und ein Kampfmesser. Noch schützt uns die Dunkelheit, aber den nächsten Tag werden wir so nicht überleben .«
Geyer deutete mit der freien Hand hinaus in die Dunkelheit, auf die andere Seite des Tals. »Wir müssen da hinüber! Dort habe ich einen Rückzugsraum. Wenn wir den erreichen, sind wir in Sicherheit .«
»Gut. Sie kennen den Weg. Auf geht's !«
*
Mehr als zehn Kilometer waren sie durch die Nacht gelaufen, praktisch nackt und barfuß und die letzten fünf Kilometer auch noch deutlich bergauf. Manfred und der verletzte Geyer waren völlig fertig, und auch Magnus spürte seine Füße kaum noch, denn an Fortbewegung ohne Schuhwerk war auch er nicht mehr gewohnt.
Am Stand der Mondsichel erkannte Wittmann, daß Mitternacht gerade vorbei war, als vor ihnen auf einer Almwiese die kleine Hütte auftauchte. In der Dunkelheit war nicht viel zu erkennen, aber der Holzbau sah nicht anders aus als die anderen Almhütten im Allgäu auch.
Er blickte zurück über das Tal in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dort, auf dem mehr als zehn Kilometer entfernten Hügel, brannten die Ruinen des Hotels noch immer. Auch die zuckenden Blaulichter der Einsatzfahrzeuge waren selbst über diese Distanz noch gut zu erkennen. Er glaubte nicht, daß es noch viel Arbeit für Ambulanzfahrzeuge gegeben hatte - nur für Leichenwagen.
Geyer trat in die Hütte, die anderen folgten ihm. »Schieben Sie das beiseite .« Der Verletzte deutete auf einige schwere Ballen aus gepreßtem Stroh.
Magnus machte sich ans Werk, Manfred unterstützte ihn nach Kräften. Unter den Strohballen kam eine Stahltür im Boden zum Vorschein. Die Tür hatte eine kleine Tastatur. Geyer beugte sich stöhnend
Weitere Kostenlose Bücher