Stahlfront 3: Der zweite Buergerkrieg
Menschen sind ein für allemal frei von sämtlichen Degenerationserkrankungen - selbst von Krebs. Sie altern zwar wie alle anderen auch, aber ohne die mit dem Alter meist verbundenen Begleiterscheinungen - kaputter Rücken, Arthrose, nachlassende Sehkraft, Arteriosklerose oder was auch immer - und eben auch Krebs. Ein mit dem Pseudohormon behandelter Mensch ist im Alter noch so gesund wie ein junger und hat beste Aussichten, eine natürliche Lebensspanne von etwa 140 Jahren zu erreichen und dann schmerzlos an plötzlichem Organversagen zu sterben. Allerdings braucht man etwa 10 000 Föten, um einen einzigen Menschen zu behandeln.
Ich glaube, wir wissen jetzt, weshalb seit den 60erjahren die Zahl der Abtreibungen im Westen derart dramatisch zugenommen hat .«
»Unglaublich! Unerhört! Unfaßbar !« schallten die Rufe durch den Saal. Thulemarschall Bittrich stand auf und gebot mit einer Geste Ruhe. Dann fragte er: »Haben Sie Beweise für Ihre ungeheuerliche Behauptung, Professor ?«
Schulz nickte. »Neben den Unterlagen fanden wir auch zwei fertige Einheiten des Serums. Eine haben wir im Labor allen nur denkbaren Analysen unterzogen, um die Daten aus den Unterlagen zu verifizieren. Die zweite Einheit wollten wir an einem ebenso geeigneten wie würdigen Kandidaten erproben .« Schulz nickte einem seiner Assistenten zu, der den Saal verließ.
»Es gibt einen Mann in unseren Reihen, der sich für unseren Kampf so verdient gemacht hat wie kein zweiter im Reich Thule. 66 Jahre lang hat er sein Leben geopfert, um Projekt Endsieg zu schützen. Stabsfeldwebel Heinrich!«
Der Assistent kehrte mit dem alten Soldaten, der stolz und aufrecht wie immer ging, in den Saal zurück. Die schwarze Uniform der Thule-Truppen stand ihm ausgezeichnet. Doch sein volles weißes Haar wurde jetzt von blonden Strähnen durchzogen.
»Wir haben den Feldwebel nach seiner Ankunft im Reich natürlich gründlich untersucht - und mußten eine schreckliche Diagnose machen: Nachdem er mangels Zigaretten jahrelang nicht mehr hatte rauchen können, hatte er nach seiner Begegnung mit Hauptmann Wittmanns Truppe alles nachholen wollen und gequalmt wie ein Schlot. Wir vermuten, daß dadurch ein verkapselter Krebsherd in seiner Lunge aufgebrochen ist und in wenigen Tagen extrem gestreut hat. Als wir ihn untersuchten, hatte er nur noch wenige Wochen zu leben - nach 66 Jahren im Bunker.
Das war nicht nur in allerhöchstem Maße ungerecht - das Ausmaß seiner Krankheit machte ihn darüber hinaus zum idealen Versuchskaninchen. Selbst mit den modernsten Mitteln unserer Medizin war ihm nicht mehr zu helfen. Also gaben wir ihm das Jungbrunnenserum.
Das Ergebnis war überwältigend: Innerhalb einer Woche war Heinrich vollkommen krebsfrei. Die Falten in seiner Haut wurden deutlich weniger tief, und auch sein sonstiges Befinden erfuhr eine unglaubliche Verbesserung. Er hat die Konstitution eines gesunden Mannes von weniger als 50 Jahren. Aber sagen Sie doch selbst ein paar Worte, wie Sie sich fühlen !« Der Professor winkte den so jung wirkenden Alten zu sich ans Mikrofon.
Zuerst schien Heinrich angesichts des versammelten Generalstabs vor ihm ein wenig unsicher, aber dann stahl sich ein fast jungenhaftes Grinsen auf sein Gesicht, und er erklärte: »So gut wie heute habe ich mich zuletzt mit Anfang 20 gefühlt. Und daß das nicht übertrieben ist, haben mir inzwischen mehrere in der Truppenbetreuung tätige Fräuleins unabhängig voneinander bestätigt .«
Donnerndes Lachen tobte durch den Raum, so daß Heinrichs folgende Worte fast untergegangen wären. Aber nur fast. »Ich freue mich natürlich, daß es mir so blendend geht, und daß ich noch mehr als 50 Jahre zu leben habe, wenn sich der Herr Professor nicht irrt«, sagte er mit ernster, fast trauriger Miene. »Aber daß zehntausend kleine Kinder schon im Mutterleib ermordet wurden, nur damit es mir wieder gutgeht - das ist eine Schuld, mit der ich für den Rest meines jetzt so lang gewordenen Lebens klarkommen muß. Ich weiß, ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen ,« erklärte er, als sich Widerspruch im Saal erhob, »ich habe die Kinder nicht getötet, und es geschah auch nicht in meinem Namen oder um mir zu helfen. Trotzdem kreisen jetzt zehntausend tote Seelen in meinen Adern. Ich muß es hinnehmen, weil es mein Schicksal war. Aber ich begreife nicht, wie man so etwas anstreben kann .«
*
Nach der Konferenz bat Bittrich persönlich die Hauptleute Wittmann und McBain in sein Büro.
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