Stahlfront 5: Yes, we can
Ritterkreuz ausgezeichnet worden war, galt seine Beförderung zum Generalmajor eigentlich nur noch als Formsache. Azimi war schon immer ein Mann gewesen, der Besonderheiten anzog wie ein Magnet. Das hatte mit seiner Geburt begonnen: Als einer der wenigen echten Indogermanen, die in Persien (oder dem Iran, wie sich das Land seit 1935 offiziell nannte) noch geboren worden waren, hatte er sich in seiner Heimat stets wie ein Außenseiter gefühlt. Denn auch wenn das Wort Iran »Land der Arier« bedeutete, so waren doch reinblütige Angehörige dieser Rasse im heutigen Persien so selten zu finden wie Eskimos in Ecuador oder Indianer in Indien.
Nach der Machtergreifung der Mullahs 1979 hatten seine Eltern das Land verlassen und waren in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Hier war Azimi im Jahr 1996 für die Thule-Truppen angeworben worden. Das lag mittlerweile 15 Jahre zurück.
Die Geländeübung mit den beiden Gorgerkompanien war schon vor einiger Zeit geplant worden - und zwar so, daß der beim Einsatz in China schwerverletzte Sefa, Alis Lieblingsgorger, wieder mit von der Partie sein konnte. Schon in der Planung hatte er die Übung so gestaltet, daß sie weitgehend ohne menschliche Offiziere und ohne Überwachung von einer Kommandoeinheit aus geschehen konnte.
Es ging vor allem um die stetige Wiederholung des richtigen Kampfverhaltens in dichtem Waldgelände - und um die Wiedereingliederung der wenigen überlebenden Gorger des China Einsatzes in die Truppe.
Azimi hatte auch deswegen auf den Einsatz der Kommandoeinheit verzichtet, weil er Major Kempowski nicht dabeihaben wollte. Er konnte dem Mann einfach nicht mehr vertrauen. Zum Glück hatte sich dieses Problem von selbst erledigt: Kurz nach der Rückkehr aus China (und nach dem Abschluß der Planung für diese Übung) hatte Kempowski um seine Versetzung gebeten.
Trotzdem genoß es der Oberst, mit »seinen« Gorgern allein durch den Wald zu toben. Diese Übungen hatten viel von den Geländespielen an sich, an denen er als Knabe bei den Pfadfindern stets mit großer Begeisterung teilgenommen hatte.
Momentan bereiteten sich die beiden Kompanien - insgesamt 480 Gorger - auf einer lichtüberfluteten Waldschneise auf die nächste Übungseinheit vor. Leutnant Herbert K. Scheer, Azimis Adjutant und neben dem Oberst der einzige andere Mensch weit und breit, erklärte den uniformierten Geschöpfen mit den nackten Füßen geduldig, was jetzt von ihnen erwartet wurde.
Gorger waren enorm starke, im Labor gezüchtete Wesen, die einen neuen Höhepunkt in der großartigen Forschungsgeschichte des Reiches Thule darstellten. Die Wissenschaftler hatten die Gene von Gorillas und Bantunegern miteinander vermischt und noch einige eigene geheime »Zutaten« in die DNS-Ketten geknüpft. Herausgekommen waren enorm starke und widerstandsfähige, sterile Hybridgeschöpfe.
Von Anfang hatte man mit diesem Projekt versucht, Selbstopfersoldaten zu züchten, die zum Einsatz kommen sollten, wenn höhere Verluste zu befürchten waren. Schon aus diesem Grund hatten die Verantwortlichen von Beginn an dafür gesorgt, daß die Gorger nicht zu intelligent wurden. Sie konnten Befehle verstehen und Bericht erstatten - solange das ihren maximalen Wortschatz von 200 Worten nicht übertraf.
Gorger waren mit fünf Jahren einsatzfähig und wurden trotz einer natürlichen Lebenserwartung von über 30 Jahren selten älter als zehn. Denn sie gingen ohne Murren selbst in den ausweglosesten Einsatz, wenn sie den entsprechenden Befehl erhielten. Zu dieser Opferbereitschaft trug sicher die Überzeugung bei, daß sie nach ihrem Tod im Kampf als Menschen in Thule wiedergeboren würden - das hämmerte man ihnen von Anfang an wie ein Glaubensbekenntnis ein.
Doch seit Ali Azimi die dritte (Gorger-)Division »Demjansk« übernommen hatte, waren ihm Zweifel an der offiziellen Version von den »dummen« Gorgern gekommen. Diese Wesen hatten mehr Seele, als die Thuleführung bereit war zuzugeben, und so hatte er auch nach dem Gefecht in China entgegen dem Befehl schwerverletzte Gorger nicht durch die Abschaltung ihres Lebenszeichenmonitors töten lassen, sondern sie geborgen. Darüber war es zum Streit mit Major Kempowski gekommen, den Azimi mit einem krachenden Faustschlag beendet hatte.
Deswegen haßte Kempowski den Perser. Und deswegen lebte Gorger Nr. 233 noch immer: Sefa.
Leutnant Scheer gab Azimi ein Zeichen und deutete auf den Gorger neben sich, der ein schweres Funkgerät so leicht auf dem Rücken trug,
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