Stahlfront 5: Yes, we can
Narkosegas entkommen, von dem wir vorher wußten, dem wir zugestimmt haben und auf den wir vorbereitet waren! Oder setzen wir hier etwas ganz anderes ein? Haben Sie sich die Aufschrift auf den Kanistern mal näher angesehen ?«
Das hatte Brewer, und jetzt gab es kein Halten mehr für ihn. Er marschierte auf den einzigen Wissenschaftler zu, der noch hier unten verblieben war. Der Mann schloß gerade sein Gurtzeug über dem weißen Kittel. Offenbar wollte er es mit einer Leine an einem der Karabinerhaken befestigen, die die Pioniere in die Tunnelwände getrieben hatten, um den Gaseinsatz hier unten vor Ort zu verfolgen.
Der Mann war klein, schlank und etwa 50 Jahre alt. Die Beine waren im Vergleich zum Rumpf extrem kurz, die linke Seite des Rückens wurde von einem mächtigen Buckel geziert. Das lockige schwarze Haar, von ersten grauen Fäden durchzogen, war gegelt und straff nach hinten gekämmt. Die dicht beieinanderstehenden dunkelbraunen Augen, die lange Nase und die wulstigen Lippen verliehen seinem Gesicht etwas Rattenhaftes.
Er sah mit einer Mischung aus Arroganz und Überraschung auf, als Brewer ihn ansprach: »Was für ein Gas soll hier wirklich zum Einsatz kommen ?«
»Sind Sie nicht der Kommandant des Strafbataillons? Offenbar sind Sie klüger, als man angenommen hat. Gratuliere !«
»Wozu? Zu der Tatsache, daß ich hier im Gang bin und so dem Angriff mit Nervengas entgehe?«
»Nein!« Die Stimme des Wissenschaftlers klang kratzig und dünn. Das Gurtzeug verbarg den Namenszug auf der Brust seines Kittels. »Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer für einen Soldaten ungewöhnlichen Intelligenz. Die meisten Ihres Schlages können doch nur Befehle befolgen wie blöde Schafe und laufen noch mit einem Jubelschrei auf den Lippen in den Tod, so wie die Männer Ihres Strafbataillons.«
Die Verachtung und Arroganz in der Stimme des für Brewer namenlosen Zivilisten waren nicht zu überhören, doch er zwang sich, ruhig zu bleiben, weil er spürte, daß es den Buckligen drängte, mit seinem Wissen zu prahlen. Er mußte ihn nur an der richtigen Stelle anstoßen - und er ahnte, wo die war: »Sie wollen die Thule-Höhle mit VX-Gas fluten? Das ist unmöglich. Zuviel Volumen! Und viel zu gefährlich!«
Der Kleine grinste sardonisch. »Das weiß ich doch! Deswegen setzen wir ja auch kein gewöhnliches VX ein, sondern die neue Variante UVr. Daran habe ich jahrelang geforscht und gearbeitet, bis sie die heutige Perfektion erreichte !« In der Stimme des Buckligen schwang unverhohlener Stolz. »VX-UVr liegt in flüssiger Form vor, weshalb schon ein einziger Kanister große Mengen Gas aufnehmen kann. Es ist dermaßen wirksam, daß wenige Mikrogramm genügen, um einen Menschen zuverlässig zu töten. Sein niedriger Siedepunkt sorgt dafür, daß es sich bei Freisetzung sofort großräumig verteilt und nicht als Kondensat abregnet. Mein größter Coup aber war die Entdeckung des UV-Zusatzes .« Herausfordernd blickte er Brewer an und erwartete offenbar eine Nachfrage, um die Einzigartigkeit seiner Entdeckung betonen zu können.
Der Offizier tat ihm den Gefallen: »Was bewirkt dieser Zusatz?
»Wie Sie wissen - oder als Offizier auf jeden Fall wissen sollten - bleibt VX wochenlang gefährlich .«
»Wieso >muß< ich das wissen? Das Zeug ist seit Jahren verboten !«
»Kommen Sie, Colonel, beleidigen Sie nicht meine Intelligenz, indem Sie sich dümmer stellen, als Sie sind! Sie wissen so gut wie ich, daß man Waffen nicht wirklich verbieten kann. Unsere Regierungen schließen großartige Verträge zum Verbot aller möglichen >unmenschlichen< Waffensysteme, aber für den Ernstfall sind sie trotzdem vorhanden. Man darf sich nur nicht erwischen lassen, solange man in einer Position der Schwäche ist. Aber sobald mein VX-UVr eingesetzt wurde, werden die USA nicht nur wieder so mächtig wie früher sein, sondern so stark wie nie zuvor, absolut unschlagbar !«
»Und das alles nur wegen Ihrer großartigen Erfindung?«
»In der Tat, auch wenn Sie noch so überheblich tun, mein Lieber! Denn mein Gas ist nicht nur sehr viel tödlicher als gewöhnliches VX, es zersetzt sich auch sofort, wenn es mit ultraviolettem Licht in Berührung kommt. Wie mittlerweile alle Welt weiß, erzeugen auch die Kunstsonnen von Thule UV-Licht in der gerade richtigen Dosis. Der Verräter, der uns den Weg hier nach unten in den Fels geöffnet hat, wird die Beleuchtung in der Höhle zu einem genau vereinbarten Zeitpunkt abschalten. Er glaubt, daß wir mit
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