Stahlfront 6: Aldebaran... und Mars!
Unglücklichen gewesen waren, die den Angriff geflogen hatten - jetzt lebte kein einziger mehr von ihnen.
Magnus Wittmann hatte sein Fernglas längst abgesetzt und beobachtete unbemerkt seinen grauuniformierten Gefangenen. Der verfolgte das Inferno am Himmel mit sichtbarem Entsetzen, sagte aber kein Wort.
Der Hauptmann kam zu einem Entschluß und wandte sich an seinen Stabsfeldwebel: »Lohberger, bringen Sie unseren schweigsamen Freund hier mit Ihren Männern zum Wurmloch und schicken Sie ihn ins Jonastal. Den Experten Thules sollte es schnell gelingen, seine Sprache zu entschlüsseln und ihn zu verhören .«
»Auf gar keinen Fall, Hauptmann! Der Mann darf diese Welt nicht verlassen !« Es war Professor Schulz, der mit Nachdruck seine Stimme erhob. Wittmann und Lohberger sahen ihn überrascht an.
»Auch wenn er so aussieht wie wir, ist dieser Mann ein Außerirdischer«, erklärte der Wissenschaftler. »Er könnte Keime im Körper haben, gegen die kein Mensch Antikörper besitzt. Wenn wir ihn auf die Erde bringen, könnte das eine weltweite Epidemie auslösen. Kraft der mir vom Thulemarschall verliehenen Autorität verhänge ich eine unbedingte Quarantäne über unseren Vorposten. Bis wir den Gefangenen untersucht haben, darf niemand diese Welt mehr verlassen !«
Der Journalist Behrens, der beim gescheiterten Angriff der Bomber fast automatisch Wittmanns Nähe gesucht hatte, wurde blaß. »Heißt das, daß wir alle uns schon mit irgendeiner unaussprechlichen Seuche angesteckt haben könnten, ohne es zu wissen ?« fragte er.
»Das heißt es, ja... zumindest theoretisch«, fügte Schulz beschwichtigend hinzu. »Ich glaube nicht wirklich, daß der Mann krank ist, aber wenn das Schicksal der Erde auf dem Spiel steht, darf man überhaupt kein Risiko eingehen, finden sie nicht auch?«
Manfred nickte nachdenklich. Kaum hatte sich seine Angst gelegt, galt seine ganze Fürsorge dem Fremden, der mit deutlicher Verunsicherung die Szene verfolgte, von der er kein Wort verstand. Er hatte mit ansehen müssen, wie seine Kameraden in den Bombern gestorben waren, ohne jede Chance gegen die überlegenen Waffen der Gegner. Andererseits blieb er angesichts dieser Entwicklung erstaunlich ruhig, fand Manfred.
»Der Mann kommt ins Lazarettzelt, richtig ?« fragte der Reporter den Professor.
Schulz nickte. »Ich habe die Kollegen schon informiert. Die wissen, was sie zu tun haben .«
Kurz kreuzten sich Manfreds Blicke mit denen Wittmanns. Der wußte, was sein Freund wollte, und nickte nur stumm.
Der eher kleine, ein ganz klein wenig zu elegant gekleidete, gutaussehende Medienmann trat zu dem fremden Piloten und legte ihm vertraulich die Hand auf die Schulter. »Komm«, sagte er nur und ging voran. Der Fremde folgte ihm. Nach wenigen Schritten hatten beide Männer das Lazarettzelt erreicht und verschwanden darin.
*
Den ganzen Tag über kamen weitere Materiallieferungen durch das Wurmloch, aber kaum noch Soldaten. Wittmann hatte die Erde über die Entwicklung hier informiert. Falls es wirklich eine Gefahr gab, wollte er ihr nicht mehr Männer aussetzen als nötig.
Als sich die beiden Sonnen dem Horizont entgegensenkten, tauchte Aldebaran A die Welt in ein rotes Licht von derartiger Intensität, wie sie für jeden, der das nicht mit eigenen Augen verfolgt hatte, unvorstellbar war. Selbst der schönste und intensivste Sonnenuntergang auf der Erde war nur ein blasser Abklatsch des intensiven Farbenspiels, das sich dem Auge auf Voestheim - so hatte man die fremde Welt inzwischen getauft -bot. Der Name war dem Altgermanischen entliehen und bedeutete »Wüstenwelt«.
Der Vorschlag stammte von Manfred Behrens und war auf einhellige Zustimmung gestoßen. Bevor er freier Journalist geworden war, hatte Behrens unter anderem Altgermanistik studiert. Zwar hatte er sein Studium niemals abgeschlossen, aber es war doch genug hängengeblieben, so daß er rasch erkannt hatte, daß die merkwürdigen Schriftzeichen auf dem ausgebauten Funkgerät, das Magnus ihm gezeigt hatte, den Runenzeichen, die die Vorfahren der Deutschen einst genutzt hatten, verblüffend glichen.
Von dieser Erkenntnis war es nur noch ein kurzer Schritt bis zu der Idee gewesen, sein halb vergrabenes Wissen über die althochdeutsche Sprache hervorzuholen und den fremden Piloten damit anzureden. Mittlerweile war es ihm möglich, sich mit dem Mann, dessen Name Merkulf Brundalfssun lautete, wenigstens ansatzweise zu unterhalten. »Seine Sprache entspricht in etwa jener der
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