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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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schaute Fletcher auf die Karte. Mia zeigte ihm, wo sie sich gerade befanden: Sie näherten sich der Stelle, wo ihr schnurgerade verlaufendes Sträßchen aus dem Wald heraus und in die kleine Ebene führte, die Evie in ihrem Bericht das Freie Feld genannt hatte. Ein Stück vor ihnen beschrieb die Straße eine Kurve und führte dann nur noch an zwei herausgehobenen Stellen vorbei: zunächst ein kleines, als »Reliquienstätte« bezeichnetes Gebäude, zu dem vermutlich die Prozession unterwegs war; und dann ein kleines, rundes
    Gebäude, das keine Bezeichnung trug. Danach verlor sich die Straße in der alten Heide mit den verbliebenen Flugfeldstrukturen auf der einen und dem Hexland-Haus auf der anderen Seite. Die Entfernung zum Flugfeld betrug noch etwa fünfzehn Meilen über unebenes Gelände, und das im Angesicht eines heraufziehenden orkanartigen Unwetters.

»Wie alt ist deine Mutter eigentlich, Tom?«, fragte Mia.
    »Dieses Jahr wird sie dreiundsechzig.«
    »Und die soll da auf der Heide sein? Bei diesem Unwetter?«
    Er wusste, was Mia dachte. Würde Kate Fletcher nicht vielleicht irgendwo Schutz suchen?
    Sie zeigte auf die »Reliquienstätte« auf der Karte. »Vielleicht ist sie ja dort. Und wer weiß, vielleicht gibt es da auch einen Turm? Könnte dort nicht Gregory Tilney wohnen?«
    Fletcher betrachtete die Bäume im Scheinwerferlicht. Sie waren schon ganz schief vom Sturm und die ersten Zweige und kleineren Äste brachen ab.
    »Liegt ja direkt am Weg. Schauen wir uns einfach mal dort um.«
    Durch dichten Wald fuhren sie eine lange Steigung hinauf, folgten oben angekommen einer scharfen Kurve und rollten von da an abwärts. Unten war etwas, eine Art Licht. Sie erreichten eine große Lichtung, wo die Wipfel der wenigen Bäume vom Sturm ganz platt gepresst wurden. Fletcher bremste und hielt.
    Auf der Lichtung stand eine Kapelle mit quadratischem Turm, deren Buntglasfenster von innen erleuchtet waren. Der Schein fiel auf die Gesichter und Arme marmorner Heiligenstatuen, die vom Regen glänzend in den Mauernischen standen. Dutzende von Autos waren kreuz und quer geparkt, und bei manchen stieg von heiß gelaufenen Motoren Dampf auf. Polizeifahrzeuge waren nicht zu sehen. In den Autos saß keiner - man sah nur ein paar versprengte Prozessionsteilnehmer, die sich am Licht der Kapelle orien-tierten. Jedenfalls schienen hier eine ganze Menge Leute Zuflucht zu suchen. Ob seine Mutter darunter war? Und vielleicht auch Aspen Slade?
    Fletcher manövrierte den Cossack in eine Lücke am Rande der Lichtung und stellte den Motor ab. Das metallische Klicken des abkühlenden Metalls wurde vom Heulen des Windes, dem Ächzen der Bäume und dem Regen auf dem Wagendach begleitet. Fletcher steckte die HS-Pistole in seinen Parka.
    Sie stiegen aus dem Wagen. Die beiden Flügel des Eingangsportals im Kapellenturm standen weit offen und ein Lichtkegel fiel auf die flache Steintreppe vor der Tür. Als sie näher kamen, hörten sie noch ein weiteres Geräusch. Es war wie ein Geraschel und Geflüster, wie wenn Wellen auf Strandkies schlagen. Fletcher begriff, dass es aus der geöffneten Kapellentür drang. Sie gingen auf das Licht zu. Fletcher spürte, wie sein Herz hämmerte.
    Werde ich sie hier finden?
    Als sie auf der Schwelle standen, sahen sie, dass die Kapelle mit elektrischen Kronleuchtern beleuchtet war, die ihr gelbliches Licht auf einen reich verzierten Altar warfen, auf dem eine Madonna mit Kind stand, umgeben von Hunderten von brennenden Opferlichtern in durchsichtigen, roten Bechern. Darum herum kniete eine Gruppe von Nonnen in schwarzem Habit mit grauen Schleiern, die Kopf und Schultern bedeckten. Vom Altar bis zum Eingang knieten die anderen Gläubigen dicht gedrängt mit gesenkten Köpfen auf dem Boden. Es waren Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Junge und Alte, Männer, die wie Farmarbeiter aussahen, und Ehepaare, in denen man wohlhabende Wochenendhäuschenbesitzer vermutete. Das Unwetter führte sie in ihrer Angst zusammen.
    Fletcher und Mia traten ein. Das Geräusch, das vorhin wie ein Flüstern nach außen gedrungen war, erfüllte jetzt den ganzen Raum: Es kam von all den leise gesungenen Ge-beten, die an den Wänden widerhallten. Wenn man von dem elektrischen Licht absah, war es eine Szene wie vor fünfhundert Jahren.
    »Kate. Kate Fletcher«, rief er.
    Seine Stimme hallte ein paar Sekunden wider, und dann ertönten erneut die Gebete.
    Wieder rief er den Namen seiner Mutter, und diesmal sahen

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