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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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einfach weiter.« Er drehte sich noch einmal um und blickte über die Straße. Als Mia in den Rückspiegel schaute, sah sie nur Wolken und die grüne Wand des Nadelwaldes - oder doch noch etwas anderes?
    Sie sah nach vorn, als der Cossack über die Matte holperte und dann wieder der Straße folgte, vorbei an den anderen Schuppen. Die Schüsse fielen immer schneller. Die
    307Birken schwankten im Wind und die zitternden Äste brachen das Sonnenlicht. Fletcher riss hinter dem letzten Schuppen das Lenkrad herum und bog auf eine Kiesfläche im Schatten der Wellblechwände ein. Er fuhr ganz dicht an die Wand, so dass er von der Straße aus nicht zu sehen war, und stellte den Motor aus.
    Mia blickte sich um.
    Von hier aus konnte sie direkt in den Schuppen gegenüber sehen. Eine riesige Schiebetür stand offen und gestattete den Blick ins Innere. Dieses war von einem Streifen Sonnenlicht und Deckenlampen nur schwach erleuchtet. Anfangs erkannte sie bloß verschwommene Schatten. Dann begriff sie plötzlich, was vor sich ging. Zwei Männer in weißen Overalls standen vor einem Meer von Truthühnern - kleine, kümmerliche Tiere mit farblosen Federn und scharlachroten Schnäbeln. Die Vögel waren in Panik. Sie stiegen einander wild flatternd auf den Rücken, die Luft wirbelte von Federn und das Angstgeschrei hallte ins Freie hinaus. Die Männer erschossen sie mit Luftdruckpistolen und arbeiteten sich dabei vom Rand in die Mitte vor. Hinter ihnen lag schon ein ganzer Berg von Kadavern. Eine feine Dunstwolke stieg davon auf und hier und da zuckte noch ein Flügel oder Schnabel.
    Mia sah Fletcher mit verzogener Miene an. Der zeigte auf eine Lücke, die hinter dem Schuppen zwischen diesem und dem Nachbargebäude einen Blick auf den Weg freigab, der vom Nadelwald aus weiterführte. Dort sah man ein Fahrzeug vorbeifahren: einen dunklen Chrysler Jeep mit getönten Scheiben, hinter denen die Insassen nicht zu erkennen waren.
    »Da nimmt noch jemand den Weg über die Nebenstraßen«, bemerkte Fletcher.
    Im Schuppen erfolgten die Schüsse jetzt im Abstand von ein oder zwei pro Sekunde. Das Knallen und das Vogelgeschrei übertönten jedes andere Geräusch. Mia blickte zum Rand des Nachbarschuppens, hinter dem der Jeep nun jeden
    Moment auftauchen müsste. Fletcher entriegelte die Klappe des Handschuhfachs und ließ sie nach unten schwingen. Im Handschuhfach lag seine HS-Pistole. Hinter den Bäumen bildete der Sonnenuntergang einen klaffenden Riss in den Wolken.
    Der Jeep kam nicht. Doch ein paar Sekunden später entdeckte Mia ihn wieder in der Lücke, nun zurücksetzend und in seine eigenen feuchten Abgasschwaden gehüllt. Dann tauchte er hinter dem ersten Schuppen auf und setzte weiter bis zum Nadelwald zurück, wo er zwischen den Bäumen verschwand.
    Die Klappe des Handschuhfachs hing immer noch herunter.
    »Vielleicht jemand, der sich verirrt hat und das Truthahngeschrei und die Schüsse nicht mochte«, sagte Mia.
    »Durchaus möglich.«
    »Könnte es die Polizei sein?«
    Fletcher runzelte die Stirn. »Wenn die hinter uns her wären, wären sie hier runtergekommen. Aber wie ein Polizeifahrzeug sah es ohnehin nicht aus.« Er klopfte aufs Lenkrad. »Vielleicht sind uns Lindquists speziell geschulte Berater gefolgt.«
    »Und warum haben sie uns dann nicht gestellt, wenn sie uns schon folgen?«
    Er stieß das Handschuhfach mit einem Knall zu. »Vielleicht hoffen sie, dass wir die Drecksarbeit für sie erledigen und das Problem Aspen Slade beseitigen.«
    Er ließ den Motor an und folgte langsam der Straße den Hügel entlang, während die Schüsse und das Geschrei allmählich hinter ihnen verhallten. Den Kopf an die Tür gelehnt betrachtete sie Tom Fletchers Hand am Lenkrad. Die Sonne war untergegangen und vor dem Horizont hob sich jetzt die bewaldete Hügelkette dunkel vor dem grauen Himmel ab.
    »Hättest du sie erschossen?«, fragte Mia.
    »Das soll wohl ein Scherz sein.«
    »Hast du schon mal jemanden getötet, Tom?«
    »Also jetzt machst du wirklich Witze. Ich bin Engländer.«
    Sie schloss die Augen und spürte durch den Sitz hindurch jedes Rucken im Fahrgestell. Sie stellte sich vor, Gregory Tinley sei noch am Leben und sie würde diesen Mann, der den Schwestern geholfen und sich um sie gekümmert hatte und der schließlich die Aussage des Mädchens über das sogenannte »große Geheimnis« notiert hatte, in irgendeinem alten englischen Turm aufstöbern. Dann der Besuch auf dem Luftwaffenstützpunkt. Sie würde Fotos schießen und

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