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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Leute sich verärgert nach ihm um. In der Nähe knieten zwei Mädchen auf dem Boden - im Stil der Gothic-Szene aufgemacht: schwarz gefärbtes Haar, bleiche Gesichter, schwarzer Lippenstift und dicke Piercings in Lippen und Nase. Die Pupillen waren geweitet und die Augenlider schienen im Licht der Opferkerzen zu flackern. Eine der beiden sah ihn mit leerem Blick an, die Hände um ein Silberkreuz geklammert.
    Mia kniete sich neben sie. »Hast du schon mal den Namen Gregory Tilney gehört? Im Turm bei Hanchton?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf, presste das Kreuz an die Stirn und schloss die Augen. Fletcher gab Mia einen Wink: Gehen wir. Sie schoben sich zur Tür zurück.
    Dann hörten sie eine junge Stimme. »Sie suchen den alten Tilney?«
    Fletcher blickte sich um - das andere Gothic-Mädchen war ihnen gefolgt und stand jetzt unter den Kronleuchtern, die Haut vom Licht fast totenbleich.
    »Wo ist er?«, fragte Mia.
    »Er lebt in dem alten Wasserturm auf der Heide. Aber das ist in dem Gebiet, das evakuiert wurde. Die Polizei hat dort alle rausgeholt.«
    »Auf der Heide? Wird die nicht das Freie Feld genannt?«
    »Die alten Leute nennen sie so. Wie der alte Tilney zum Beispiel. Gehen Sie nicht da hin. Es wird einen Orkan geben.«
    »Wo auf der Heide?«, fragte Mia.
    »An der Straße nach Norden. Fast am Ende dieser Straße
    biegt ein Weg rechts ab, noch weiter den Berg hinauf. Irgendwo da oben ist der Turm.«
    Das entsprach genau dem auf der Karte eingezeichneten runden Gebäude am Ende der Straße. »Danke«, sagte Fletcher.
    Als sie wieder auf den Stufen vor der Tür standen, wo der Regen in silbrigen Fäden fiel, flackerte das elektrische Licht einen Moment lang und erlosch. Man hörte, wie die Leute in der Kapelle einen atemlosen Seufzer ausstießen, als wären sie Zeugen eines Wunders geworden, und wie dann das Gebetsgeflüster erneut einsetzte.
    Als sie wieder im Wagen saßen, hörte man nur noch das Rauschen der Bäume und das Getrommel des Regens auf dem Wagendach. Inzwischen waren sie von allen Seiten eingeparkt. Fletcher rammte den Rückwärtsgang rein, setzte zurück und schob das Heck des Wagens beiseite, der ihm die Ausfahrt versperrte. Vom Zusammenprall flog die Heckklappe des Cossack auf, fiel aber krachend wieder zu. Dann waren sie erneut auf der Straße und fuhren nach Norden.
    »Wir halten doch beim Wasserturm, oder?«, fragte Mia. »Ich meine, er ist da, der Mann ist tatsächlich da.«
    »Tilney interessiert mich nicht. Ich bin auf dem Weg zum Flugfeld und suche meine Mutter.«
    »Vielleicht weiß Tilney ja, wo genau sie sich aufhält. Verdammt, sie könnte sogar bei ihm sein.«
    Fletcher überlegte. »Gut, wir prüfen das kurz nach. Aber dann geht es sofort weiter auf die Heide.«
    Die stockdunkle Straße Richtung Norden verengte sich zusehends und stieg dann steil an. In den Lichtkegeln der Schweinwerfer sah man zuerst ein Straßenschild, das links nach Hanchton wies, dann kam ein Wald, wo der Sturm die kahlen Zweige der Bäume peitschte, und schließlich ein zerfetztes gelbes Absperrband, das quer über die Straße gespannt war und wild im Wind flatterte. In der Mitte standein mit Sandsäcken beschwertes Schild: Evakuiertes Gebiet. Zutritt verboten. Doch die Schnauze des Cossack fegte es einfach beiseite - das Band legte sich ein paar Sekunden lang flatternd um den Wagen und wehte dann weg. Danach kam rechts eine Lücke zwischen den Bäumen, ein befestigter Weg. Fletcher bremste, rutschte, setzte zurück und bog auf den schmalen Weg ein. Er holperte über alten, rissigen Asphalt, der an manchen Stellen mit Schotter geflickt, an anderen unter Matsch und Wasser verschwunden war. Einen »Weg« konnte man das nur mit viel Wohlwollen nennen. Links und rechts war nichts mehr zu erkennen, nur die Dunkelheit der frühen Morgenstunden.
    Es war so finster, dass sie fast gegen die Wand gekracht wären. Diese tauchte ganz plötzlich zwischen den Scheibenwischern auf und Fletcher trat heftig auf die Bremse und brachte den großen Wagen zum Stehen, dicht vor einer nassen Betonmauer, die den ganzen Lichtkreis seiner Scheinwerfer ausfüllte. Sie spähten durch die Windschutzscheibe. Der Wasserturm ragte wie eine Säule aus dem Scheinwerferlicht heraus.
    Sie stiegen aus. Der Turm hielt den heftigen Regen zum Teil ab, aber der Sturm fegte mit einem unausgesetzten Heulen um das Gebäude herum. Fletcher leuchtete mit der Taschenlampe hinauf. Mit Mühe konnte er mindestens fünf Stockwerke weiter oben eine

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