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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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gemeinsam losfahren konnten. Vielleicht war der Kerl nach dieser kleinen Lektion ja etwas weniger herablassend.
    Aber sie kam nicht mehr dazu, die Tür zu schließen. Unmittelbar neben ihr bewegte sich etwas. Ein süßlicher, fruchtiger Geruch stieg ihr in die Nase, den sie vorhin hier im Turm noch nicht wahrgenommen hatte. Sie hatte sich kaum herumgedreht, da wusste sie plötzlich, was es war.
    Lakritz.
Samstagmorgen
    Unten angekommen sprang Fletcher von der Stahlleiter, die von oben bis unten durch den ganzen Turm führte, und blickte sich im Eingangsbereich um. Der war nass geregnet und die schwere Außentür aus Stahl schwang lose in den Angeln. Es war keiner da. Die Lifttür stand halb offen. Er schob sie mit einem Ruck zu und schickte den Lift in die obere Etage, wo Gregory noch immer mit einer Decke über den Beinen im Wohnzimmer saß und schlief.
    Gregorys Bericht änderte aus Fletchers Sicht überhaupt nichts. Daisy Seager hatte den alten Mann also aufgespürt und seine Geschichte dem hinzugefügt, was sie schon wusste. Der Alte glaubte, er hätte eine traurige kleine Privattragödie aus Kriegszeiten geschildert. Ihm war gar nicht klar, dass er in Wirklichkeit Zeuge eines Plans geworden war, den das Felwell College und Bellman mit dem Luftwaffenstützpunkt hatten umsetzen wollen. Was tatsächlich dahinter steckte, hatte nur Kate Fletcher begriffen - und sie befand sich jetzt dort auf der Heide.
    Fletcher ging nach draußen, wo sie den Cossack abgestellt hatten. Der Sturm traf ihn mit voller Wucht - aber der Sturm war auch das Einzige, was ihn empfing: kein Cossack weit und breit, nur die klaffend leere Dunkelheit. Eine in den Schlamm gefurchte Reifenspur führte von dem holprigen Weg herunter über die Heide und entschwand.
    Er dachte nach und schaltete sein Handy an. Auf dem von Regentropfen bedeckten Display erschien ein Foto, frisch aus Kreta: Cathleen, die nass und braun auf ihrem Balkon
    saß. Das Foto kam ihm vor wie von einem anderen Stern - ein Ort, wo es warm und sicher war. Die Nachricht lautete: Sei brav.
    Er rief Mias Handy an. Keine Antwort.
    Dann stellte er sein Handy wieder aus, damit man ihn nicht orten konnte. Erneut dachte er nach, fünf Sekunden lang, zehn Sekunden lang. Langsam gewöhnten sich seine müden, überreizten Augen an die Dunkelheit.
    Links von ihm, wo es zur Kapelle hinunterging, rauschten die Bäume beruhigend im an- und abschwellenden Sturm. Zu seiner Rechten führte der Weg hinter dem Turm auf die Hochebene der Heide. Er sah auf die Uhr. Die Morgendämmerung würde erst in zwei Stunden anbrechen. Er atmete tief durch.
    Also machte er seinen Parka zu, schloss die Kapuze, damit es ihm nicht in den Kragen regnete, und beschloss mit einem Achselzucken, dass er nun wasserdicht verpackt war. In der Seitentasche spürte er das Gewicht der kroatischen Pistole. Dann marschierte er den Hang hinauf und drang in die Dunkelheit vor. Nach wenigen Metern ging der Asphaltrest der Straße in weichen, federnden Heideboden über. Der Sturm peitschte die Luft - manchmal war es für Sekunden vollkommen windstill, und dann wieder überfiel er Fletcher mit wilden Stößen, gegen die er sich regelrecht stemmen musste, um nicht einfach davonge- weht zu werden.
    Er kam in ein Gebiet, wo weit und breit nichts zu sehen war - als er sich umdrehte, konnte er nicht mal mehr den Wasserturm erkennen - und das einzige Geräusch war jetzt das Heulen des Sturms. Kein Horizont zeichnete sich ab, nur ein paar diagonal fallende Regenstreifen vor einem verwischten Lichtrest von Halbmond. Fletcher verlor jede Orientierung im Raum - das Einzige, was ihn noch mit der Welt verband, war der Boden, den er unter den Füßen spürte. Er leuchtete mit der Taschenlampe auf seinen Kompass, sah den
    Ausschlag der Nadel und ihr Zurückpendeln in eine Ruheposition. Er schlug eine nordöstliche Richtung ein.
    Wie fühle ich mich eigentlich?, überlegte er. Es ist, als...
    Mit der Taschenlampe vergewisserte er sich erneut, dass er in die richtige Richtung ging, und leuchtete dann den Boden vor sich nach Hindernissen ab. Es gab keine, in seinem Lichtkegel tauchten nur Regen und Gras auf. Die Heide lag offen und leer vor ihm, ohne irgendwelche Hinweise auf Fahrzeuge oder Menschen.
    Es ist, als wäre ich glücklich, dachte er. Ich werde meine Mutter wiedersehen.
    Er marschierte weiter.
    Ich werde sie retten.
    Er konnte nichts hören, und die Luft war gesättigt von Regen. Aber er war sicher, dass er irgendwo da oben vor sich den

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