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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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verschwollenen Augen an, und dann ging das Streichholz aus. Sie stand auf, schwankend, konnte aber gehen, machte die Tür auf und trat ins Haus. Ich folgte ihr. Sie saß in der Küche, dort roch es nach Erde und Fett. Ja, und dann war da noch der Geruch vom Baumwurzelfeuer, so was kennt heute keiner mehr. Sie saß in der Dunkelheit, sah mich an und sagte etwas wie: >Schreib das alles auf. Stell mir keine Fragen, schreib einfache Sie zitterte. Offensichtlich von den Schlägen. Aber sie wusste auch, was ihr bevorstand.«
    Fletcher schien es zum ersten Mal, als schwanke der Turm, als hebe sich eins der Wandgemälde leicht von der Wand. »Und was geschah dann?«, fragte er.
    »Sie redete die ganze Nacht mit mir und versuchte, alles so genau darzustellen, wie sie konnte. Als sie fertig war, tat mir die Hand vom Schreiben weh. Ich legte den Stift weg und faltete die Seiten zusammen. Dann ging ich hinaus und über den Fahrweg davon. Alles, was sie aufbewahrt wissen wollte, hatte ich bei mir, verstehen Sie? Ich nahm alles mit. Die Sonne ging auf. Die roten Wolken am Horizont waren sicher tausend Meilen entfernt. Das Flugzeug kam um sechs Uhr früh.
    »Was für ein Flugzeug?«
    »Ein >Mustang<. Er kam aus dem Süden und hinter ihm stand die Sonne. Ich blieb stehen und sah mich nach ihm um. Er hatte die zusätzlichen Treibstofftanks unter den Flügeln, die Tropfentanks. Und dieser Krach, mein Gott. Das Triebwerk des >Mustangs< machte einen Krach, wie es ihn kein zweites Mal gibt. Dann verstummte der Lärm plötzlich. Das Flugzeug blieb im Tiefflug. Ich fragte mich, ob der Pilot wohlein Problem mit dem Triebwerk hatte. Möglich wäre es. Vielleicht ist die Sache deswegen passiert. Vielleicht.«
    »Welche Sache ist passiert, Gregory?«
    »So was kam immer wieder vor, während des ganzen Krieges. Es waren so viele Flugzeuge mit explosiver Fracht unterwegs. Da musste so was einfach hin und wieder passieren.«
    »Was denn?«
    »Der >Mustang< kam geradewegs auf mich zu. Er flog kaum dreißig Meter über mir direkt über die Weiden hinweg. Ich konnte jede einzelne Niete in der Aluminiumverkleidung erkennen, die Zusatztanks unter den Flügeln und die Abgasfahne. Das Flugzeug hielt unmittelbar auf Hexland zu. Die Farm lag still da, nur aus dem Kamin stieg eine feine Rauchfahne auf und man sah die Hühner im Hof. Ich habe mich oft und oft gefragt, was Evie wohl in diesen wenigen Minuten gemacht hat, die zwischen meinem Abschied und dem Eintreffen des Flugzeugs lagen. Vielleicht hat sie ein wenig gedöst und die Sonnenstrahlen, die durch die Fensterläden hereindrangen, auf der Haut gespürt. Oder wer weiß, vielleicht hat sie auch Sally geweckt, und die beiden haben sich aneinandergeklammert und auf das gewartet, was kommen musste. Der >Mustang< flog so tief über die Felder hinweg, dass er die Zweige von den Weiden riss. Dicht beim Haus stieg er plötzlich nach oben, als hätte er Ballast abgeworfen.« Gregory ahmte das Steigen des Flugzeugs mit der Hand nach. »Es hatte natürlich auch Ballast abgeworfen. Ich sah die zwei Tropfentanks. Sie waren schwer und wurden daher nicht aus der Bahn geweht, sondern fielen einfach lotrecht nach unten. Große silberne Tropfen wie Tränen vor dem roten Morgenhimmel. In jedem Tank waren Hunderte von Litern hochwertiges Flugbenzin. Der erste landete im Zwiebelfeld neben dem Haus. Ich sah, wie das Flugbenzin sprühte, eine große Stichflamme, so hoch wie das Haus. Der zweite Tank traf das Haus selbst. Ichsah, wie er den Giebel durchschlug und Mauersteine mitriss. Danach passierte einen winzigen Moment lang gar nichts. Nur einen Sekundenbruchteil lang. Und dann war das Haus plötzlich durchsichtig. Ich konnte tatsächlich die Balken hinter dem Verputz sehen, den Umriss der Zimmer im Obergeschoss und den Schornsteinkasten. Durchleuchtet von rotem Licht. Auch das dauerte nur einen Moment. Und dann flog alles in die Luft.«
    »Sie haben das Haus bombardiert?«, fragte Fletcher. »Und Sally und Evie waren darin?«
    »Wie schon gesagt, Unfälle kamen vor. Wenn ein Pilot einen Triebwerksschaden bemerkt, muss er die Zusatztanks abwerfen, bevor er zum Stützpunkt zurückfliegt. Er sieht ein freies Feld und wirft die Tropfentanks ab. Dann schafft er es zurück und landet unbeschadet. Später hört er zu seinem Entsetzen, dass er vielleicht ein Farmhaus getroffen und zwei Frauen getötet hat. Er fährt dorthin. Auch das habe ich gesehen. Ich sah, wie er mit seinem Jeep in der Nähe der Weiden hielt und ausstieg.

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