Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
übergeben? Meine Güte, hören Sie sich nur den Regen an.« Ganze Sturzbäche prasselten an die Fensterscheibe.
    »Aber das große Geheimnis? Was war das dann?«, fragte Mia.
    Das elektrische Licht flackerte einen Moment lang. Der Sturm wurde heftiger und jagte heulend um die Betonwände.
    »Evie wollte, dass die Geschichte weiterlebt, verstehen Sie? Sie wollte, dass jemand sie in die Zukunft trägt. Sie hatsie mir erzählt und ich habe sie aufgeschrieben, so schnell ich konnte. Die Worte brachen nur so aus ihr heraus und überschlugen sich vor Eile. Aber ich habe alles aufgeschrieben, glaube ich. Und es sicher aufbewahrt.«
    Fletcher musterte Gregory. Ein netter alter Kerl war das mit seiner flotten Kappe. Aber vielleicht auch ein Fantast?
    »Warum hat sie Ihnen das alles erzählt, Gregory?«, fragte er. »Warum hat sie dieses Geständnis gemacht?«
    Gregory schien einen Augenblick eingenickt zu sein, die Hände im Licht des Paraffinofens auf dem Bauch gefaltet. Dann schlug er die Augen auf.
    »Ich habe mich um die beiden gekümmert. Damals - in dem Jahr nach Harpkins Verschwinden. Ich habe ihnen geholfen und über sie gewacht. Nachdem ich die Stahlhexen gemalt hatte, fühlte ich mich ... nicht verantwortlich für sie, nein, aber ich machte mir Sorgen. Ich machte mir Sorgen um die Schwestern. Ich hatte Angst um sie.« Gregory sank in seinen Sessel zurück.
    »Was hat Ihnen Angst gemacht?«, fragte Mia.
    »Die Amerikaner schnüffelten noch immer wegen Harpkins Tod herum. Nicht die Militärpolizei, aber die Besatzungen von anderen Luftwaffenstützpunkten. Irgendwie müssen sie wohl Wind davon bekommen haben, dass da was faul war. Und dann haben sie Evie geholt.«
    »Sie haben sie geholt?«
    »Es war im Frühjahr 1944. In der Abenddämmerung. Ich war dort gewesen und hatte den beiden geholfen, das Dach ihres Waschhauses zu reparieren. Dann ging ich über die Felder zurück, parallel zu diesem kleinen Fahrweg, der zur Farm führte. Es ist, als könnte ich jetzt noch die Weidenbüsche riechen. Und das Zirpen der Heupferde hören. Ich sah einen Jeep über den Weg kommen. Vier Männer saßen darin, die sich festhielten, weil es so holperte. Die kamen nicht vom Luftwaffenstützpunkt beim Hexland. Der war schon lange verlassen, dort wucherte schon Gras zwischenden Betonpisten. Aber die werden wohl gewusst haben, was geschehen war. Vermutlich wussten sie alles über Evie und das, was sie gemacht hatte. Sie müssen es herausgefunden und gehört haben, was da gelaufen war. Der Jeep fuhr auf den Hof und hielt direkt vor der Tür. Die Tür ging auf. Es war ganz finster im Eingang, wegen der Verdunkelung. Es war der finsterste Raum, den ich je gesehen habe. Dann hörte ich Stimmen, konnte aber kein Wort verstehen. Im letzten Dämmerlicht kam Evie heraus und stieg in den Jeep. Die Männer setzten sich auf die Seitenwände der offenen Ladefläche und nahmen sie in die Mitte. Ich sah, dass sie sich ein einziges Mal nach dem Haus umblickte. Dann fuhren sie mit ihr über den Weg davon. Da war es fast schon vollständig dunkel.«
    »Wohin wurde sie gebracht?«
    »Auf die Felder hinaus. Sie stellten den Motor aus. Ich blieb unter den Weiden stehen und sah hinüber. Ich hatte Mohnblüten dicht vor dem Gesicht.« Gregory streckte die Hand aus, als berührte er etwas in der Luft. »Ich hörte einen Schrei, nur einen einzigen. Er kam von einer Frau. Es war kein Geschrei, sondern ein lauter Ruf. Von dort draußen in den Feldern.«
    Die Paraffinflamme flackerte einen Moment lang unruhig.
    »Was haben sie mit ihr gemacht?«, fragte Mia.
    »Es war dunkel, und so konnte ich es nicht richtig sehen. Aber ich hörte, wie sie sie schlugen. Ich sah schemenhafte Gestalten und, ich glaube, auch Evie selbst, wie sie von einem Mann zum anderen geschubst wurde. Jedes Mal hörte man dann etwas, einen Schlag. Von ihr kam kein einziger Laut mehr, nach diesem ersten Ruf. Erst als das zu Ende war, hörte ich ihre Stimme, aber ich konnte die Worte nicht verstehen. Ihre Stimme war leise und klang erstickt. Auch die Stimmen der Männer hörte ich; es waren junge Männerstimmen, mit diesem amerikanischen Akzent. Dann ließen
    329sie den Motor wieder an; ich sah ihre Silhouetten und wie sie in den Jeep stiegen. Sie fuhren zur Farm zurück. Ich folgte ihnen, kam aber erst dort an, als sie schon wieder weg waren. Evie war immer noch im Hof, sie kniete dort. Ich zündete ein Streichholz an. Ihr ganzes Gesicht war blutverschmiert. Zähne fehlten. Sie sah mich aus

Weitere Kostenlose Bücher