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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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drangen. Sie trug ein langes blaues, mit einer Schärpe gebundenes Kleid mit langen Ärmeln und Sandalen mit Holzsohlen. Das Haar war unter ihrer blauen Haube zusammengebunden. Sie hatte große graue Augen. Sie hielt die Hände zusammengelegt.
    Meine Schwester sagt immer: »Das weißt du doch gar nicht, Sally. Du kennst die Farbe ihres Kleides doch gar nicht. Das hat Granny sich ausgedacht.« Aber ich weiß, dass es stimmt.
    Ich kann Bessie Weiler dort stehen sehen. Der Hexenjäger sagt: »Fürchte dich nicht.«
    »Ich fürchte mich nicht.«
    Er notiert etwas in seinem Buch. »Mir scheint, du hast Zeichen auf deiner Haut, Bessie.«
    »Was für Zeichen?«
    »Die Male des Satans. Er hinterlässt oft Zeichen in Form von Muttermalen und Sommersprossen.«
    »Alle Welt hat Muttermale und Sommersprossen.«
    Er steht auf und tritt dicht an sie heran. »Es ist heiß heute, Bessie. Und trotzdem trägst du ein langes Kleid mit langen Ärmeln.«
    »Das hier ist mein Kleid. Es wird alle zwei Wochen gewaschen.«
    Er lächelt. Er berührt sie am Hals. Seine Finger sind kalt und seine Nägel lang. »Dir ist warm.«
    »Ihr habt Matty Flinter getötet.«
    »Meine Urteile haben die Autorität von Thron und Altar.«
    »Eines Tages wirst du in ein Dorf kommen, Hexenjäger, und dort werden sie dich in Stücke reißen.«
    »Zieh dein Kleid aus.«
    »Das tue ich nicht.«
    »Was hast du darunter, Bessie? Hast du Male, die du verbergen willst?«
    »Sie werden dich in Stücke reißen. Du bist der Teufel.«
    »Was weißt du denn von Teufeln, sag?« Er schenkt sich Bier in einen Tonkrug. Sie hat Durst. Er trinkt einenSchluck, kaut ein paar Samen und spuckt sie aus. »Entweder du ziehst das Kleid aus, oder du wirst ins Wasser der Tongrube geworfen. Beides ist eine zuverlässige Hexenprobe.«
    Sie steht da und sieht ihn an. Sie wägt die Möglichkeiten im Geiste ab und weiß, dass sie so oder so dem Tode nahe ist. Außerdem weiß sie, was der Hexenjäger denkt. Er denkt, dass sie sich für die Tongrube entscheiden wird; dort wird sie zwar vielleicht ertrinken, aber man wird sie nicht nackt sehen. Doch sie ist klug, diese Bessie Weiler. Sie weiß, was sie tun muss, um für den Hexenjäger fortzuleben und ihn für immer zu verfolgen. Sie weiß, wie sie es anstellen muss, damit sie sich ihm ins Gedächtnis brennt, sich in seine Träume drängt, ihn verhöhnt, wenn er krank ist, und ihn foltert, wenn er stirbt.
    Sie hat sich entschieden. Sie nimmt die Haube vom Kopf und ihr Haar fällt lose herunter. Sie hebt das Kinn, zieht das Kleid über den Kopf, zieht es ganz aus und lässt es auf den mit Gras bewachsenen Zeltboden fallen.
    Der Hexeiyäger blickt auf. Sein Mund steht offen, Speichel läuft heraus.
    Sie breitet die Arme aus und lässt ihn die Male auf ihrem Körper sehen. Sie dreht sich zur Seite und dann ganz herum, damit er auch den Rücken sehen kann und dann wieder die Vorderseite. Sie sieht ihm in die Augen. Er kann nicht sprechen. Der Hexenjäger bringt kein Wort heraus.
     

Dienstagnachmittag
    Fletcher ging durch das große Tor nach draußen. Der Aushang mit Daisys Foto flatterte leicht im Wind, und der Polizist stand immer noch da, ziemlich trübselig, wie es schien. Fletcher ging durch die Felder und den alten Treidelpfad am Fluss entlang und dachte nach. Der Fluss, der so angeschwollen war, dass das Wasser fast über die Ufer trat, schoss rasch dahin. Fletcher beobachtete einen Baumast, der sich in der Mitte des Flusses um sich selbst drehte, während er rasch auf Cambridge zu trieb.
    Was lag hinter der properen Fassade des Felwell College verborgen? Irgendetwas, das ganz verschiedene Elemente - das Thema Hexen, die Bellman Foundation, und sogar Jack und Kate Fletcher - miteinander verband.
    Das Licht änderte sich ständig, immer wieder zogen Wolken vor die Sonne. Es war der letzte Kältetag vor dem vorhergesagten Tauwetter. Ein paar Graupel gingen nieder und verschwanden in der Strömung.
    Fletcher machte kehrt und wollte zu seinem in Newnham geparkten Wagen zurückgehen.
    Dabei bemerkte er im Augenwinkel eine zweite Person, vom Wasser gespiegelt, die sich ebenfalls gerade umdrehte. Fletcher blickte sich um und sah in etwa zwanzig Meter Entfernung einen Mann, der auf dem Weg am Flussufer entlang durch die Wiesen Richtung Grantchester marschierte. Hatte er Fletcher beobachtet, oder das College? Der Mann rannte ein paar Meter. Er versuchte abzuhauen.
    Fletcher folgte ihm. Einen Moment lang fragte er sich, ob das vielleicht der Mann war,

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