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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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der sich in der Nähe des FelwellCollege herumgetrieben hatte und dessen Bild von einer Überwachungskamera festgehalten worden war. Die Größe stimmte ungefähr, aber dieser Mann trug einen altmodischen Wachsmantel, der sich hinter ihm blähte.
    Wieder ein Hagelschauer, aber diesmal heftiger: Dicke Hagelkörner prasselten aus den Wolken auf den Asphalt nieder. Ein paar trafen Fletcher ins Gesicht, und als er wieder etwas sehen konnte, merkte er, dass der Mann jetzt losjoggte und immer schneller wurde. Fletcher hetzte hinter ihm her, froh über die Gummisohlen an seinen Schuhen. Es waren sonst nur wenige Leute unterwegs, und alle versuchten, dem Hagel zu entkommen: ein paar Studenten mit Fahrrädern und ein Spaziergänger, der seinen Hund rief. Der Hagel fiel in dicken Schauern auf den Fluss nieder und prasselte an die Mauer, die das Felwell-Gelände umschloss.
    Der Mann lief immer schneller, bis er richtiggehend rannte und sein glattes Haar hinter ihm herwehte. Sie umrundeten die Flussbiegung, hinter der der Fluss schnurgerade nach Granchester weiterströmte: Auf Fletchers Seite breiteten sich flache Wiesen aus, während das gegenüberliegende Ufer von kahlen Eichen und Stahlfarben schimmernden Weiden gesäumt war. Plötzlich hörte der Hagel auf, die Sonne brach durch und die zahllosen Steinchen im Asphalt dampften im Licht, während die Weiden einen leuchtenden Grünton annahmen. Der Mann im Wachsmantel schaute sich um - zu kurz, als dass Fletcher sein Gesicht hätte erkennen können - und rannte dann weiter, mit großen Sätzen und wild rudernden Armen. Fletcher blickte sich um. Sie waren allein auf diesem langen, geraden Wegabschnitt. Jetzt rannte auch er richtig los, spürte die Mischung aus kalter Luft und Dunst in der Lunge und merkte, wie er mit jedem Schritt ein paar Hagelkörner unter den Füßen zertrat.
    Ein paar Sekunden später war die Sonne wieder weg und die Landschaft wirkte erneut wie ein Schwarzweißfoto.
    91Fletcher blickte auf und sah metallisch glänzende Wolken am Himmel. Ein Blitzstrahl, vom Wasser gespiegelt, ließ die Wiesen aufleuchten, und dann prasselte der Hagel richtig auf sie nieder. Diesmal waren die Hagelkörner so groß wie Kugellagerkugeln. Sie wühlten die Wasseroberfläche auf, zerbarsten auf dem Asphalt und brannten ihm im Gesicht, wenn sie ihn trafen. Einige schlugen gegen seine Augenlider, und er wischte sie mit dem Ärmel weg.
    Er rannte langsamer und blieb dann stehen.
    Vor ihm lag im niederprasselnden Hagel eine leere Viehweide. Auf dem Weg war weit und breit kein Mensch zu sehen. Keinerlei Passanten. Und vor allem kein Mann im Wachsmantel.
    Ein paar Meter vor ihm neigten sich Trauerweiden ins Wasser, und ihre herabhängenden Äste bildeten ein Gewölbe, das unter dem Angriff des Hagels schwankte. Fletcher rannte hin und schaute hinein - die herabhängenden Äste zitterten unter dem Ansturm der Hagelkörner, hielten aber den größten Teil der Eisgeschosse zurück. Eine Pfütze eiskalten Wassers, ein wenige Meter breiter, verschlammter Uferstreifen, ein umgefallener Baumstamm. Fletcher trat unter die herabhängenden Weidenzweige. Langsam ging er um den liegenden Baumstamm herum. Der Mann kauerte auf der anderen Seite in einem Spalt, der mit der Kettensäge ins Holz geschnitten worden war, und versuchte, sich tief in den Einschnitt zu pressen. Als der Mann Fletcher sah, griff er in seinen Mantel und brachte ein Messer zum Vorschein.
    Fletcher verharrte reglos.
    Es war ein langes Bajonettmesser mit gezähnter Klinge und Plastikgriff - billig, aber gefährlich, und die zitternde Spitze schimmerte im Licht. Draußen zuckte erneut ein Blitz, und das Getrommel des Hagels war so laut wie ein Turbinenwerk und schnitt sie vollkommen von der Welt ab. Fletcher und der Mann standen da und sahen einander an.
    Er war etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Die Handgelenkewaren schmal, die Fingernägel abgekaut und unter den Augen hatte er dunkle Schatten. Augenbraue und Unterlippe waren gepierct und das Gesicht nass von geschmolzenem Eis. Er war eindeutig nicht der Mann von dem Überwachungsfoto des Felwell College. Das Wasser des Flusses zog tiefschwarz und vom Hagel aufgewühlt vorbei.
    »Wirf das Messer in den Fluss«, sagte Fletcher.
    Der Mann zögerte. Fletcher trat gegen seine Hand. Der Mann schrie auf, das Messer flog über das matschige Ufer und blieb dann liegen wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Wie heißt du?«
    »Wayne. Wayne Denny.«
    »Mach deinen Mantel auf, Wayne. Was hast du

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