Stahlhexen
und sah dann wieder auf ihren eigenen Notizblock.
Franks hörte auf zu schreiben, blickte auf, spielte mit dem Kuli und zog die Nase kraus.
»Also, wer hat dich angerufen?«
»Ich habe keine Ahnung. Die Stimme kannte ich nicht; mit dem Mann habe ich noch nie gesprochen. Männlich, das Alter ist schwer zu schätzen. Es fiel mir nichts Besonderes an der Stimme auf.«
»Akzent?«
»Mir ist keiner aufgefallen.« Das war eine Lüge, okay, aber Fletcher wollte die Polizei nicht auf die Spur von Nathan Slades Sohn bringen, wer auch immer das war. Er wollte den Beamten einen Schritt voraus bleiben. Franks blickte finster und machte wieder Notizen.
»Du musst sehen, was ich hier mache. Was soll das heißen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Er beschreibt dir die Stelle, du fährst raus und Volltreffer.« Franks schüttelte den Kopf. »Warum hat er dich angerufen, Fletcher?«
»Mein Name stand in der Zeitung, ich wurde namentlich erwähnt, weil ich Nathan Slades Leiche gefunden habe. Wer immer mich angerufen hat, verfolgt offensichtlich die Berichterstattung; und er wollte euch nicht direkt anrufen. Er ruft mich an, erreicht damit aber letztlich euch. Er forderteuch heraus. Er weiß, dass ihr euch auf den moralisch anrüchigen Aspekt von Daisys Leben konzentriert. Ich meine die Pressekonferenz von heute Vormittag.«
Franks verzog das Gesicht. »Die Eltern waren unkooperativ. Obere Mittelschicht.«
»Ja, aber du hast rübergebracht, was du rüberbringen wolltest. Jetzt weiß jeder, dass es sich um ein Verbrechen im Rotlichtmilieu handelt.«
Franks schnaubte. »Also, warum hast du alle möglichen Leute und Orte abgeklappert, die irgendwie mit Daisy Seager in Verbindung stehen? Ihr Haus, das Felwell College und Nathan Slades Büro bei Bellman. Was treibst du da eigentlich, deiner Meinung nach?«
»Na ja, es ist so, das Geschäft läuft schlecht. Ich meine, wirklich schlecht. Ich will jetzt nicht zynisch wirken, aber dass ich der war, der Slade in dem Steinbruch gefunden hat, war so ein kleiner Glückstreffer für mich.« Franks starrte ihm in die Augen. »Das hat mich auf eine Idee gebracht. Ich dachte, wenn es mir gelingt, Daisy Seager zu finden, würde ich ein bisschen öffentliche Aufmerksamkeit gewinnen. Du weißt schon: Privatdetektiv findet vermisste Sex-Studentin. Ein echter Coup. Das wäre eine gute Werbung für mich.«
Franks musterte ihn scharf. Fletcher fragte sich, ob sein Exkollege diese Geschichte vielleicht glauben wollte, weil sie Fletcher jämmerlich aussehen ließ.
Franks klopfte mit seinem Kuli auf den Notizblock. »Denk noch mal gut darüber nach. Irreführung der Kriminalpolizei und Justizbehinderung. Wenn du mich in diesem Moment anlügst, riskierst du eine Freiheitsstrafe. Kannst du dir vorstellen, wie es im Gefängnis für dich wäre? Als Exbulle? Du weißt, was sie da drin mit dir anstellen würden?« Ein paar Sekunden lang schwiegen sie, nur Franks rhythmisches Kuliklopfen war zu hören. »Also, was hast du von diesen Leuten erfahren?«
»Nicht viel. Die Putzfrau sagte, Daisy sei eine Prostituierte.« Er bemerkte ein verhaltenes Lächeln in Franks' Gesicht. »Im Felwell College stellte Frau Dr. Nile Daisy als Spitzenstudentin dar. Nur diese, äh, Hostessenjobs, die sich unter den Studentinnen verbreiten, würden ihr Sorgen machen, sagte sie.« Um Franks' Augen zeigten sich vergnügte Fältchen. »Bei Bellman ging sofort die Klappe runter. Da habe ich überhaupt nichts erfahren.«
Franks sah auf seinen Notizblock. »Du hast ausgesagt, du wärst heute Abend mit einer Angestellten von Bellman essen gegangen, mit dieser Tyrone.«
»Das war eher ein privates Treffen.«
»Reizend. Worüber habt ihr euch unterhalten.«
»Über unsere jeweilige Kindheit.«
Franks knurrte etwas, setzte sich neu zurecht und sah erst die Anwältin und dann Fletcher an. »Geh nach Hause, Fletcher. Geh in deine kleine Wohnung. Bleib da, dicht beim Telefon.«
»Du meinst, er ruft mich noch mal an?«
»Falls ja, kann ich dir nur raten, da zu sein, unmittelbar neben dem Telefon. Und dann rufst du mich sofort an. Klar? Ich werde dich in den nächsten Stunden und Tagen kontrollieren. Wenn ich dich dann nicht antreffe...« Er beendete den Satz nicht.
Maureen Hara hob ihre elegante, unberingte Hand. »Ich habe keinen Zweifel, dass mein Klient Ihnen in jeder erdenklichen Weise behilflich sein wird.« Allein schon ihre angenehme Stimme entspannte die aufgeladene Atmosphäre. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und
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