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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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hat? Oder weil sie etwas über Felwell und Bellman herausgefunden hat?
    In der Green Street waren die Rinnsteine mit Eis verkrustet und das Schloss seiner Haustür glänzte vom Reif. Als er halb oben war, hörte er das Telefon auf seinem Schreibtisch klingeln. Vielleicht Cathleen, die wissen wollte, wie es diesen Abend gelaufen war. Aber warum rief sie ihn dann nicht auf dem Handy an?
    Als er die Tür geöffnet hatte, blieb er einen Moment stehen. Zum Lüften hatte er eines der Fenster einen Spalt offen gelassen. Die Heizung war an, und das Büro roch sauber. Hier mischte sich der Geruch des Treppenhauses, das nach einem Bohnerwachs der fünfziger Jahre roch, mit der frischen Luft von draußen. Das Telefon läutete immer noch, ein Schrillen nach dem anderen stieg von seinem dunklen Umriss auf. Es läutete länger, als ein Telefon eigentlich läuten sollte, länger, als ein Anrufer es normalerweise läuten ließ. Fletcher sah auf das Display: Nummer unbekannt. Das ist mein Vater, dachte Fletcher. Ohne das Licht anzumachen, nahm er den Hörer ab, sagte aber nichts.
    »Tom?«
    Das war nicht die Stimme seines Vaters. Sondern die eines jungen Mannes. Ein bisschen nasal. Amerikanischer
    Akzent. Er sprach den Namen so aus, als ob sich Tom auf »Scham« reimte.
    »Wer sind Sie?«, fragte Fletcher.
    Gedämpfte Laute aus dem Hörer: Fahrgeräusche und Wind in der offenen Natur. Dann noch irgendein Geräusch, das ganz aus der Nähe der Sprechmuschel kam: eine Art Schmatzen. Offensichtlich kaute da jemand auf irgendetwas herum.
    »Tom, ich versuch schon seit einer Ewigkeit, dich zu erreichen. Du musst sehen, was ich hier mache.«
    »Wer sind Sie?«
    Das Kaugeräusch wurde lauter und verstummte dann. »Sehen, was ich hier mache, Tom.« Fletcher streckte die Hand aus und schloss das Fenster.
    »Sind Sie der Sohn von Nathan Slade?«
    »Ich hab ständig von dir gehört, Tom. Was für ein Prachtjunge du bist.« Das Kaugeräusch fing plötzlich wieder an. Ein paar Sekunden lang hektisches Kauen, dann war es erneut still. »Du hast doch eine Landkarte, Tom? Klar doch. Es gibt da einen Ort namens Wicken Fen. Richtig hübsch so in der Nacht. Da gibt es eine Stelle, wo drei Bäche zu so einem Tümpel zusammenfließen. Sieh dir das mal an, sieh dir mal an, was ich hier mache.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Und ich sag dir eins, Tom, das versprech ich dir. Ich werd sie finden. Am Ende werd ich sie finden.«
    Ein Knacken in der Leitung, dann Stille. Fletcher notierte sich die Zeit: 21.18 Uhr. Er hatte keinerlei Zweifel, dass er gerade mit Nathan Slades Sohn gesprochen hatte. Das Kauen und der amerikanische Akzent - das musste der Mann sein, der Daisy Seager verfolgt hatte.
    Am Ende werd ich sie finden - was wollte er damit sagen? Dass er nicht wusste, wo Daisy Seager war? Und was wollte er Fletcher sehen lassen?
    Fletcher dachte kurz nach. Dann ging er die Treppe wie-der hinunter, holte seinen Wagen vom Parkplatz des All Saints Colleges und fuhr die zwölf Meilen über verschneite Straßen bis zum Wicken Fen.
    Fletcher kannte die Gegend flüchtig - es war ein Naturschutzgebiet, in dem die natürliche Fen-Landschaft erhalten wurde. Im Sommer war es sehr schön: eine alte Windmühle, Teichbinsen, wilde Rosen zwischen Farngestrüpp und Reiher, die auf den schmalen Sandstreifen unter den Uferbänken nisteten. Heute Abend war die Windmühle in Mondlicht getaucht, der Wind trieb Eiskristalle über die einsame Zufahrtsstraße und die kahlen Bäume zitterten im Strahl der Scheinwerfer, bevor Fletcher das Licht ausschaltete und den Wagen abschloss. Dann war nur noch das Knacken der Äste zu hören, deren Umrisse sich im schwachen Mondschein abzeichneten. Fletcher knipste die Taschenlampe an und leuchtete auf seine Landkarte, die er gegen den Wind nach unten drückte. Es gab tatsächlich in einigen hundert Metern Entfernung, aber abseits des Hauptwegs, eine Stelle, wo drei Bäche in einem deltaförmigen Becken zusammenflössen.
    Falls nicht Daisy Seager, wer oder was zum Teufel war dann dort draußen?
    Er schlug die angegebene Richtung ein, und der Strahl der Taschenlampe wanderte unruhig über die vereisten Baumwurzeln seitlich des Pfades. Als der Pfad einen Bogen beschrieb, ging Fletcher weiter geradeaus, und seine Schritte knirschten auf dem gefrorenen Fen-Boden. Er ging zwischen kahlen Weißdornbüschen hindurch, die das Becken vor den Blicken der Fußgänger schützten. Falls er sich hier am Ort eines Verbrechens befand, zerstörte er Spuren - das

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