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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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wusste er. Aber er wollte vor der Polizei da sein.
    Er leuchtete mit der Taschenlampe vor sich und erfasste einen der dunklen, schmalen Bäche, der fast schon über die Ufer trat. Weiter hinten lag das deltaförmige Wasserbecken, in dessen einer Ecke sich der Mond spiegelte. Der Windwurde stärker und das Spiegelbild des Mondes brach sich im Wasser. Neben dem schimmernden Fleck trieb irgendetwas im Wasser. Fletcher stutzte und richtete seine Taschenlampe darauf. Es sah aus wie ein Holzbrett, das sich hell vom dunkleren Hintergrund der Uferlandschaft abhob. Fletcher bückte sich, um das Brett in der von Eiskristallen durchsetzten Luft besser erkennen zu können. Mit einem dicken Seil war etwas auf dem Brett festgebunden, und darum herum breitete sich etwas Helles auf dem Wasser aus. Das Festgebundene war ein Paar gefesselter Menschenhände, die von dem Brett über Wasser gehalten und von einem Kranz langen, blonden, stellenweise eisverkrusteten Haars umflossen wurden.
    Fletcher ging nicht näher heran. Helfen konnte er ohnehin nicht mehr. Er wusste, dass Nathan Slades Sohn ihn zu Daisy Seagers Leiche geschickt hatte.
    Nachdem er die Polizei gerufen hatte, verharrte er fast reglos und betrachtete die Leiche im Strahl seiner Taschenlampe. Was genau mochte Slade mit ihr angestellt haben? Er hatte sie an ein Brett gebunden und im Wasser versenkt? Hatte man nicht genau das auch mit Hexen gemacht - die Wasserprobe?
    Ich liebe unser Haus. Oben sind die großen Zimmer, in denen früher Granny gewohnt hat. Jetzt stehen sie leer und die Fensterläden sind geschlossen. In den Wänden gibt es Balken mit alten Axthieben, Scharten, die so groß sind, dass man die Hand hineinlegen kann. Unten liegen die Küche und das Schlafzimmer von meiner Schwester und mir. In einem anderen Zimmer habe ich noch nie geschlafen. Der Boden ist aus Stein und es gibt einen offenen Kamin. Draußen haben wir Hühner im Hof, Gemüse im Garten und einen Ziegenpferch. Wenn man bei den Ziegen steht und aufs Haus schaut, sieht man, wie alt es ist. Das Fachwerk ist mit Backsteinen aufgefüllt, die kleinersind als eine Hand. Das Haus ist ein wenig schief, das stimmt. Die eine Wand sieht aus wie ein Ziegeneuter.
    Ich erinnere mich an jenen Sommer vor dem Krieg, bevor die Amerikaner kamen und alles kaputt machten. Es war heiß, und nachts lagen wir auf unseren Betten, Sally und ich, und versuchten einzuschlafen. Da war dieser Motten-Bursche, der uns immer im Dunkeln besuchte. Er hatte große Augen, einen festen, kleinen Bauch -und er tanzte immer um die Paraffinlampe herum. Er brachte mich zum Lachen und ich klatschte Beifall. »Wir haben doch einfach alles, Sally«, sagte ich zu meiner Schwester. »Findest du nicht? Wir haben das Haus und den Garten, die Felder und die drei Pfund wöchentlich, die Granny uns in ihrem Testament vermacht hat. Und wir haben den Mr Motte, der für uns tanzt... Aber warum weinst du denn, Sally?«, fragte ich.
    »Ich bin achtzehn Jahre alt«, antwortete sie.
    Fletcher wurde nicht festgenommen und blieb daher auch von dem damit verbundenen Prozedere verschont: Er musste weder eine DNA-Probe abgeben - die notfalls auch erzwungen werden kann -, noch wurde er zur Spurensicherung in einen Papieroverall gesteckt. Da er am Tatort gewesen war, gab er freiwillig Proben seiner Kleidung und machte außerdem eine Aussage dazu, warum gerade er die Leiche einer Frau bei Wicken Fen gefunden und wo er sich in den letzten achtundvierzig Stunden aufgehalten hatte. Jetzt sah er zu, wie Detective Inspector Franks die Aussage mit finsterer Miene las und dabei das Blatt glatt strich.
    Fletcher hatte diesen Verhörraum hier in der Parkside Police Station noch gut in Erinnerung. Das Summen der Leuchtstoffröhre, der durch die Decke hereinsickernde Kantinengeruch und die elektrische Heizung, die dafür sorgte, dass es in diesem Raum entweder schweißtreibend heiß oder abscheulich kalt war, all das war ihm vertraut.
    Derzeit, um 1.23 Uhr, herrschte eine Bruthitze, und Detective Inspector Franks verströmte einen etwas strengen Körpergeruch, als er Fletchers Aussage hinwarf und ein paar Notizen auf einem Notizblock festhielt.
    Fletcher hatte vorsichtshalber seine Anwältin Maureen Hara geweckt und ebenfalls hergebeten. Maureen saß jetzt an seiner Seite: eine Enddreißigerin mit beruhigendem irischen Akzent, die normalerweise immer adrett zurechtgemacht war, heute Nacht aber ein bisschen zerzaust wirkte. Maureen fing Fletchers Blick auf, hob eine Augenbraue

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