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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Familie erwähnt?«
    »Nie, zumindest nicht mir gegenüber. Aber das wäre auch nicht seine Art gewesen. Von seiner Exfrau habe ich auch erst erfahren, als ich sie heute anrufen musste, um den Termin mit ihr abzusprechen.«
    »Und dass er mit anderen Leuten über seinen Sohn gesprochen hätte, haben Sie auch nie mitbekommen? Er hat nie etwas dergleichen gesagt?«
    »Nein, nie«, antwortete sie. »Vielleicht ist der Junge ja gar nicht sein Sohn.«
    »Oder vielleicht wollte er nicht über ihn sprechen.«
    Stan kam zurück und servierte ihnen zwei Apfel-Kluski, die ganz frisch und heiß aus der gusseisernen Pfanne kamen. Fletcher dachte an seine Kindheit und erinnerte sich an diese Zeit Ende der achtziger Jahre, als seine Eltern manchmal für einen Vormittag oder auch Nachmittag verschwanden. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr schöne, warme Sommertage dieser Art fielen ihm ein. Damals, als Dreizehn- oder Vierzehnjährigen, hatte ihn ihre Abwesenheit nicht weiter gestört. Er hatte zwar nicht gewusst, wo sie hingingen, sich aber immer irgendetwas Romantisches vorgestellt. In Wirklichkeit hatten sie sich also damals mit diesen Leuten getroffen. Mit den Slades.
    Er strich sich mit den Fingern über die Bartstoppeln und betrachtete das Foto der Fletchers und der Slades.
    Ja, der Junge sah Nathan ähnlich - das war trotz seines boshaften Grinsens schon an der Gesichtsform zu erkennen. Wie alt dieser Junge inzwischen wohl sein mochte? Ende Zwanzig? Wenn man sich dieses Kindergesicht gealtert vorstellte, wie würde es heute wohl aussehen? Wäre dieser Mann immer noch blass und dunkelhaarig? Hätte er einen amerikanischen Akzent? Würde er so aussehen wie der verdächtige Herumtreiber auf dem Foto der Überwachungskamera des Felwell Colleges?
    War Daisy wirklich von Nathan Slades Sohn verfolgt worden ? Aber warum ?
    Fletcher drehte das Foto um, öffnete den Rahmen und suchte nach irgendeinem Hinweis auf der Rückseite. Doch diese war nur in diagonalen Streifen mit dem Schriftzug Kodak bedruckt, so wie es damals üblich war.
    »Cherelle Swanson ist ein paar Tage auf dem Luftwaffenstützpunkt Alconhurst? Haben Sie vielleicht ihre Telefonnummer?«
    12 7
    »Warum das?«
    »Wir könnten sie anrufen. Sie fragen, ob sie einen Sohn hat und wo der sich im Moment aufhält. Ihr sagen, dass hier jemand ist, der sie nach all den Jahren mal kennenlernen möchte. Morgen Vormittag.«
    Mia holte ihr Handy hervor. Sie musste sich durchfragen und mehrmals neu wählen. Als sie es geschafft hatte, hörte Tom, wie die Stimme von Mias Gesprächspartnerin für Sekunden verstummte, als sein Name gefallen war. Dann erwiderte Ms Swanson etwas Kurzes, was Tom nicht verstand.
    Mia beendete das Gespräch. »Cherelle sagt, dass sie tatsächlich einen Sohn hat. Nur will sie am Telefon nicht darüber reden. Sie wäre aber bereit, Sie morgen zu treffen, um Ihnen ein paar Dinge zu erklären.«
    Mia lehnte sich im Stuhl zurück, einen Arm auf den Heizkörper gelegt, und sah ihn an. Ihre Jacke war aufgeknöpft und die weiße Bluse darunter zeichnete ihre Körperformen nach. Sie fing seinen Blick auf und lächelte. »Sehen Sie, Tom? Wir helfen uns gegenseitig.« Sie machte ihr Haar auf und ließ es fallen.
    Beim Aufbruch tauschten sie ihre Handynummern aus und gaben sich die Hand. Mia stieg in ein Taxi und winkte ihm durch die regennasse Scheibe zu. Er sah dem davonfahrenden Wagen nach, bis die Rückleuchten auf der Mill Road schließlich verschwanden.
    Dann machte er seinen Parka zu und ging selbst los.
    Die Schaufensterscheiben waren voller Eisblumen, doch der Himmel über der Stadt war klar - man sah Räder und Deichsel des Großen Wagens leuchten. Fletcher kam zum Parker's Piece, dessen lange, gerade Asphaltwege von Eis glänzten. In Gedanken war er wieder bei jener frühen Kindheitserinnerung - dieser lange Weg vor ihm, so lang, dass er das Gefühl hatte, nie sein Ende erreichen zu können.
    »Lauf, Tom. Lauf.«
    War es dieser Weg gewesen? Gehe ich vielleicht gerade in diesem Moment auf derselben Strecke?
    In seiner Erinnerung war der Weg breit, dunkel und warm. Heute dagegen war er rutschig und hart.
    Er kam in die St Andrew's Street, wo die Bürgersteige mit Sand gestreut waren, der im Licht der Straßenlampen orangefarben leuchtete.
    Falls der Sohn der Slades wirklich schon eine Weile hinter Daisy her war - warum? Hat er sie entführt? Hält er sie irgendwo fest? Aber warum? Weil sie seinen Vater vom Rand eines Steinbruchs in den Tod gestürzt

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