Stahlhexen
mitkommen?«
Mia wirkte unschlüssig. Sie schaute durchs Fenster auf das Gewächshaus und klappte ihr Notebook dann wieder auf. »Nein, euer Gespräch wird nicht gerade einfacher, wenn jetzt auch noch ein neues Gesicht auftaucht. Und irgendwas an diesem Film lässt mir keine Ruhe. Es kommt mir so vor, als hätten wir da etwas nicht richtig verstanden. Als würde da auf dem Flugfeld noch etwas anderes ablaufen, was aber schwer zu fassen ist.«
Abends saßen wir im Dunkeln auf der Treppe, ohne Licht. Im Schilf beim Deeping gab es viele Motten. »Sally, du gehst doch niemals hier weg, oder?«, fragte ich.
Der Mond ging auf.
Später fuhr ein Auto auf den Hof. Es war ein amerikanischer Jeep, und zwei Männer saßen darin. Wir blieben sitzen und sahen sie an, und sie sahen uns an. Ich wusste, wo unser Gewehr versteckt war - die alte Schrotflinte, die unter dem losen Brett im Flur lag. Ich wusste, wie man das Brett mit einem einzigen Handgriff hochhebt und die
217Schrotflinte herauszieht. Ich lehnte mich zurück und legte die Hand ans Brett.
Die beiden Männer stiegen aus. Wir sahen im Mondschein, dass sie Uniform trugen und dass ihr Haar glänzte. Einer von ihnen griff hinter sich und setzte ein Gerät in Gang. Es war ein Plattenspieler, kein Grammophon, sondern ein elektrisches Gerät. Solche Musik habe ich nie zuvor gehört. Sie war langsam mit so einem bestimmten Rhythmus darin. Ein Mann kam zu uns und streckte Sally die Hand hin.
Ich wusste ganz genau, dass Sally nicht tanzen konnte. Jedenfalls hatte ich sie noch nie im Leben tanzen sehen. Aber sie ergriff seine Hand und fand den richtigen Rhythmus. Im Hof wimmelte es von Motten, die das Licht suchten. Im Jeep leuchtete ein kleines Lämpchen und der Mond spiegelte sich in der unaufhörlich kreisenden Schallplatte. Vielleicht sahen die Motten ja diese Lichter. Sally und der Mann tanzten langsam, mitten in einer Mottenwolke.
Der andere Mann setzte sich neben mich. Er holte eine Zigarette heraus und bot sie mir an. Ich lehnte ab. Er zündete seine Zigarette mit einem Benzinfeuerzeug an. »Verdammte Motten«, sagte er.
»Die tanzen für uns«, erwiderte ich.
Er sah mich an. »Hast es wohl ein bisschen einsam gehabt hier?«
Er versuchte nicht, mich anzufassen. Wir saßen da und sahen zu, wie Sally mit dem anderen Mann tanzte. Dann war die Schallplatte zu Ende. Die beiden Männer klatschten lind Sally lachte und verbeugte sich. Motten umschwirrten sie.
Und plötzlich war alles anders. Die beiden Männer standen stocksteif da und salutierten. Am Rande des Hofes glomm ein roter Punkt. Ich sah, wie er aufglühte und wieder erlosch. Jemand rauchte Zigarre und beobachtete uns.
Ich weiß, wer das war. Ich hatte mir meine eigenen Gedanken gemacht über ihn, schon vom ersten Moment an, als ich ihn sah. Ich machte mir so meine Gedanken, warum er hier war und was für eine Gefahr er mit sich brachte.
Als ich wieder aufsah, war die Zigarre verschwunden.
»Geh noch nicht«, sagte Mia. »Schau es dir doch noch mal an.«
Sie drehte den Bildschirm so, dass Fletcher ihn sehen konnte, und startete den Film erneut. Die typischen Bonbonfarben der Vierziger-Jahre-Filme leuchteten auf. Er sah, wie der magere Baseballspieler zum Ende seines stummen Berichts kam. Sie ließ den Film langsamer laufen und fragte: »Was geschieht in dieser Szene eigentlich wirklich?«
Fletcher betrachtete den Bildschirm ein paar Sekunden lang. »Na ja, die Soldaten bemerken irgendwas zu ihrer Rechten. Vermutlich die beiden Frauen, die sich über das Feld nähern.«
»Keine sehr beeindruckende Sicherheitsmaßnahme für einen geheimen Luftwaffenstützpunkt, der sich auf das Eintreffen einer Atomwaffe vorbereitet.«
Das musste er zugeben.
»Und dann?«, fragte sie.
»Der Kameramann dreht sich um und folgt dem Blick der Soldaten.«
»Wie dreht er sich um?« Sie hielt den Film in dem Moment an, als die Kamera die beiden Frauen gefunden und auf sie scharf gestellt hatte.
»Sehr ruhig. Der Schwenk wirkt professionell.«
»Der Kameramann hat ein Stativ. Das ist keine Handkamera.«
Fletcher dachte kurz nach. »Okay. Und was folgt daraus ?«
»Was passiert jetzt?«
»Jetzt nimmt der Kameramann die Kamera vom Stativ, oder vielleicht hebt er es auch hoch und schleppt es mit.«
»Genau. Er nimmt das Stativ mit, weil er es gleich wieder verwenden will.«
»Dann ist es also ein leichtes, tragbares Stativ - warum soll das wichtig sein?«
»Komm schon, Tom. Was passiert wirklich auf diesem Flugfeld? Denk
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