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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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einsteigen lassen, ihn dann aber gleich wieder rausgeschmissen, im Dunkeln, am Rande eines Steinbruchs, in den er dann gestürzt war. Dass Aspen hinter der nächsten Biegung schon auf sie lauerte, wusste Daisy zu dem Zeitpunkt noch nicht. Daisy hatte kein Zeichen hinterlassen, weil sie es nicht für nötig gehalten hatte.
    Fletcher schlug die Augen auf, weil die Wagentür erneut aufging. Regen wehte herein und der Wagen schwankte leicht. Auf dem Fahrersitz saß jetzt ein Streifenpolizist, der angestrengt durch die beschlagene Scheibe spähte. Mit dem Handschuh wischte er zweimal darüber, so dass ein ziemlich kümmerlicher Sehschlitz entstand. Dann ließ er den Motoran, drehte das Gebläse auf und ließ die warme Luft über die Scheibe streichen. Die beiden frei gewischten Streifen auf Augenhöhe blieben aber noch eine Weile sichtbar und gestatteten den Blick auf Charlies Werkstatt. Der Polizist drehte sich um und sagte: »Ich hab hier Dokumente, die Sie unterschreiben müssen. Hey. Hallo, hören Sie mir überhaupt zu?«
    Doch Fletcher sah an dem Polizisten vorbei auf die Streifen, die unter dem Luftstrom des Gebläses langsam ihre Konturen verloren. Mit solchen Streifen kratzte man auch von außen die Windschutzscheibe frei, wenn es unter null Grad hatte.
    Fletcher unterschrieb die Unterlagen, aber vollkommen geistesabwesend. Er nahm kaum seine eigene Unterschrift wahr.
    Daisy, du hast uns also doch etwas hinterlassen, dachte er. Und das war schon die ganze Zeit sichtbar. Es war das letzte Zeichen, das du selbst auf dieser Welt zurückgelassen hast, denn du wusstest, dass die Gefahr näher kam. In dieser eiskalten Samstagnacht im Hunters Club hast du dafür gesorgt, dass die Überwachungskameras dein Zeichen festhalten.
    Wie hatte er das nur übersehen können. Wie hatte ihm das entgehen können?
    Ich konnte sie nicht allein zum Vortrag gehen lassen, und so zogen wir unsere guten Sachen an und marschierten über die Felder.
    In Hanchton war der Strand mit Draht abgesperrt, Bunker waren in die Dünen gebaut und vor dem Rathaus lagen Sandsäcke. Die Leute auf der Straße waren entweder alt oder sehr jung. Sie blieben stehen und starrten uns nach, wenn wir vorbeigingen. Keiner von ihnen sah uns in die Augen. Der alte Groll, verstehst du. Sie wussten, was sie uns vor dreihundert Jahren ange-tan hatten, als sie uns damals an den Hexenjäger verkauften.
    Im Rathaus war es heiß. Wir setzten uns in die hinterste Reihe. Die Luft war staubig. Vorn war eine Holzbühne, und dahinter fiel Sonnenlicht ein. Dort stand der Bürgermeister von Hanchton, die Amtskette auf der Brust. Er hielt eine Rede über die Geschichte. Er sagte, zwischen den hiesigen Städten und den Städten in Amerika gebe es historische Verbindungen. In Amerika gebe es ebenfalls ein Boston, ein Cambridge und ein Norfolk, Städte, die vor Hunderten von Jahren von Auswanderern gegründet wurden, die ursprünglich von hier kamen. Diese Städte und die hiesigen Städte seien wie Zwillinge, die man bei der Geburt getrennt hat. Die Rede war zu lang und die Leute wurden unruhig. Er sagte, jetzt hießen wir die Nachkommen dieser Auswanderer, die Amerikaner, bei uns willkommen. Viele von ihnen kehrten ins Land ihrer Vorfahren zurück, sagte er. Und einer der ganz Bedeutenden unter ihnen sei unser Gast Colonel Harpkin.
    Harpkin stand auf.
    Plötzlich konzentrierten sich die Leute wieder.
    Er war um die dreißig. Er trug eine Uniform mit brauner Uniformjacke, und die cremefarbenen Hosen hatten scharfe Bügelfalten. Das glatte dunkle Haar war nach hinten gekämmt, die Haut war sahnig weiß und die Augen dunkel. Ich hörte, wie jemand vor uns »Rudolph Valentino« flüsterte. Ja, er sah ziemlich gut aus. Aber ich machte mir so meine eigenen Gedanken über ihn.
    Er lächelte und steckte sich eine Zigarre an. Er hielt eine sehr freundliche Rede und sah dabei jeden Zuhörer im Raum einen Moment lang an, jeden einzelnen im Saal, auch Sally und mich. Er erzählte von den Städten in Amerika, sagte, dass sie von Menschen gegründet wurden, die von hier kamen und in ein neues Land zogen, um einneues Leben zu beginnen. Er erzählte, wie viele Familien in Amerika noch heute kleine Geschichten über ihre Ur- Ur-Ur-Großeltern kannten. Er legte die Hand auf die Stuhllehne und sprach von sich selbst. Dabei unterstrich er seine Worte mit der Hand, in der er die Zigarre hielt, und klopfte diese immer wieder in einem Aschenbecher mit Standfuß ab. Manchmal hielt er inne und zündete die

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