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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zigarre von Neuem an, aber die Zuhörer blieben mucksmäuschenstill. Alle sahen ihn an. Der Rauch der Zigarre kräuselte sich mit dem Staub in der Sonne und zog durchs Fenster davon. Er erzählte, seine Familie könne ihre Vorfahren über Generationen bis zu jenen Auswanderern zu- rückverfolgen, die von England abgelegt hätten. Er sagte, sein ganzes Leben lang träume er schon von unserem Land. Und nun sei er sehr stolz, als erstes Mitglied seiner Familie hierher zurückgekehrt zu sein. Er habe sich sogar eine Schmalfilmkamera gekauft, um zu Hause ein paar Erinnerungen zeigen zu können. Dann lächelte er und zwinkerte den Leuten in der ersten Reihe beim Abklopfen seiner Zigarre zu. Er sagte, das würde er jetzt nur in diesem kleinen Kreis zugeben, aber er habe ein Geständnis zu machen. Er habe etwas recht Unsoldatisches getan. Etwas, wofür man ihn vors Standgericht stellen könnte, wenn es herauskäme. Er schwieg, und die Leute sahen sich an. Er habe einige Fäden gezogen, erklärte er. Er habe alles getan, was in seiner Macht stand, alle Beziehungen genutzt und jeden, der ihm noch einen Gefallen schuldete, angesprochen, um in der Nähe unserer schönen Stadt Hanchton stationiert zu werden. Er sagte, er habe das Gefühl, hier nach Hause zu kommen, und so sei es in gewisser Weise auch wirklich. Er sagte, in seiner Familie gebe es eine alte Überlieferung, nämlich dass der Urgroßvater des Großvaters seines Großvaters auf dem Sterbebett einige Worte gesprochen habe. Der alte Mann habe Hanchton gesagt, Hanchton, Hanchton, wieder und wie-der. Und dann noch etwas, das fast wie ein kleines Gedicht klang. Diese Worte seien zu einem Familienmythos geworden, erzählte er.
    »Ich sehe sie tanzen. Im Wasser, in der Luft, auf der Erde. Ich sehe sie tanzen, die Augen auf mich gerichtet.«
    Da wusste ich, dass es stimmte. Und ich stürzte aus dem Rathaus hinaus.
    Kurz nach Fletchers Anruf klingelte das Telefon erneut bei Mia Tyrone - diesmal waren es ihre Eltern aus Bowling Green, Virginia. Sie sah den Rasen vor sich, der vor dem Fenster lag, den Zaun und die Bäume, die die Straße säumten - sah diese kleine Welt geradezu vor sich, wo man so stolz auf sie war. Sie tat so, als sei alles in bester Ordnung. Dann legte sie auf, ehe ihre Stimme brüchig wurde.
    »Scheiß Bellman«, sagte sie laut. Vielleicht hatte Tom Fletcher ja recht: Die hatten damals irgendwas unternommen, was heute das Firmenimage schädigen würde. Und vielleicht wusste Fletchers Mutter tatsächlich, worum es sich handelte.
    Sie packte - aber nicht für den Rückflug nach Hause. Sie packte eine Reisetasche, mit der man einen alten Luftwaffenstützpunkt suchen geht, mit der man loszieht, um die Wahrheit über Bellman herauszufinden. Eine Schlagzeile ging ihr durch den Kopf, und je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel sie ihr: Bellman baute schmutzige Atombombe für US Air Force. Erste Fotos vom geheimen Luftwaffenstützpunkt. Sie lud den Akku ihrer Digitalkamera, löschte alles, was auf der Speicherkarte war, und steckte sie wieder in den Apparat.
    Es war still in der Wohnung. Sie schaute in ihr E-Mail- Postfach: noch keine Antwort von der Lippenleserin. Allmählich machte sie sich Sorgen und begann darüber nachzudenken, ob sie ihren Plan ganz allein durchziehen müsste.
    Kurz vor 16 Uhr klopfte es an der Tür. Sie vergewisserte sich, dass es Fletcher war, bevor sie die Sicherheitskette löste.
    Er trug einen Rucksack in der einen Hand und in der anderen etwas, das in fettiges Papier eingeschlagen war. Seine blauen Augen glänzten seltsam ruhig. Mit einem Nicken ging er an ihr vorbei und legte das eingewickelte Päckchen auf den Tisch.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Was zu essen.« Er ließ es einfach liegen, packte sein Notebook aus und fuhr es hoch. Mia schlug das Einwickelpapier vorsichtig auf: Es lag Gebratenes darin, runde Scheiben, unter deren Kruste hier und da etwas Grünliches zum Vorschein kam. »Gebratener Aal.« Er tippte etwas in sein Notebook, einen Suchbefehl. »Das hilft gegen Schock.«
    »Charlie so zu finden, das muss ein verdammter Schock gewesen sein.«
    »Das mit Charlie war schon schlimm genug. Aber dann habe ich plötzlich begriffen, dass Daisy uns eine Nachricht hinterlassen hat, und die habe ich bis eben übersehen.«
    Fletcher drehte das Notebook so, dass sie den Bildschirm sehen konnte: Er hatte eine Seite mit Einzelbildern aus dem Mitschnitt einer der Überwachungskameras aufgerufen. Die Bilder kannte Mia

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