Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
Vom Netzwerk:
mitführen oder verbrennen soll, es wäre ja nichts Notwendiges drin. Der Hauptmann habe einmal beiläufig bemerkt, es würde nichts ausmachen, wenn man ihn verbrenne.
    »Verbrenn ihn in Gottes Namen. Wir schleppen dieses Gerümpel schon ein halbes Jahr mit uns rum. Verbrenn ihn!«
    Der Schreiber geht.
    »Glauben Sie an Träume, Kershenzew?« fragt plötzlich Maximow, wobei er mich mit »Sie« anredet, obgleich er gewöhnlich mit mir, wie auch mit allen anderen, auf »Du« ist. Ohne eine Antwort abzuwarten, fügt er hinzu:
    »Im Traum sind mir heute zwei Vorderzähne ausgefallen.«
    Schirjajew lacht. Er hat feste, blendendweiße, regelmäßige Zähne.
    »Die Weiber sagen, jemand von den Angehörigen wird sterben.«
    »Jemand von den Angehörigen?« Maximow zeichnet etwas Lockiges auf einen Zeitungsfetzen. »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein«, antworten wir beide wie aus einem Munde.
    »Schade. Ich bin auch nicht verheiratet und bedauere es jetzt. Eine Frau braucht man so nötig wie die Luft. Besonders jetzt …«
    Das Lockige verwandelt sich in ein Frauenköpfchen mit langen Wimpern und einem herzförmigen Mündchen. Über der linken Augenbraue ist ein Leberfleckchen.
    »Sind Sie nicht aus Moskau, Kershenzew?«
    »Nein, warum?«
    »Nur so. Ich hatte mal eine Bekannte. Es ist schon lange her … vor dem Kriege. Sie hieß auch Kershenzewa … Si naïda Nikolajewna Kershenzewa. Vielleicht eine Verwandte von Ihnen?«
    »Nein, ich habe niemanden in Moskau.«
    Maximow geht im Unterstand auf und ab. Der Unterstand ist niedrig, beim Gehen muß man den Kopf einziehen. Ich habe den Eindruck, daß er etwas erzählen möchte, aber entweder geniert er sich, oder er kann sich aus einem anderen Grunde nicht entschließen.
    Schirjajew blickt auf die Uhr – eine kleine an einem dünnen schwarzen Bändchen. Maximow bemerkt es und bleibt stehen.
    »Jaja, gehen Sie … Die Zeit ist knapp …«
    Wir stehen auf und verlassen den Unterstand. Er folgt uns auf dem Fuße. Kanonendonner ist nicht zu hören. Nur Frösche quaken. Wir stehen einige Minuten still und hören ihnen zu. Die Schatten der Kiefern reichen beinahe bis zum Unterstand. Zwei Granaten sausen, eine nach der anderen, pfeifend an uns vorüber und explodieren weit hinten. Anscheinend aus Bataillonsgranatwerfern. Schirjajew schmunzelt:
    »Feuern immer wieder ins Gehölz, und die Batterien sind schon seit drei Tagen nicht mehr dort.«
    Wir lauschen, ob noch weitere Granaten folgen. Aber es kommen keine mehr.
    »Nun gehen Sie«, sagt Maximow und streckt uns die Hand hin. »Paßt auf.«
    Er drückt uns kräftig die Hand, macht eine Bewegung, als ob er uns umarmen möchte. Doch es bleibt beim Händedruck. Er hat einen sehr festen Griff.
    »Sei sparsam mit der Munition, Schirjajew, verschwende sie nicht!«
    »Zu Befehl, Genosse Hauptmann!«
    »Paß auf!« Und er entfernt sich festen Schrittes zum Gebüsch, wo die Telefonisten die Drähte aufwickeln.
    Ich vereinbare mit Schirjajew, daß ich nach etwa zwei Stunden zu ihm kommen werde, wenn ich meine Angelegenheiten geordnet habe.
    2
    Unser Regiment hat kein Glück. Wir sind erst anderthalb unglückselige Monate im Gefecht und haben schon keine Mannschaften, keine Kanonen mehr, nur zwei bis drei Maschinengewehre je Bataillon … Dabei sind wir doch erst vor kurzem eingesetzt worden, am zwanzigsten Mai, bei Ternowaja, in der Nähe von Charkow, direkt vom Marsch aus. Wir Unerfahrenen, zum erstenmal mit der Front in Berührung Gekommenen, wurden von Ort zu Ort geworfen, in Verteidigungsstellungen gebracht, wieder abgelöst, von neuem verschoben und wieder zur Verteidigung eingesetzt. Das war zur Zeit des Frühjahrsangriffs auf Charkow. Wir verloren den Kopf, gerieten in Verwirrung, verwirrten andere und konnten uns gar nicht an die Bomben gewöhnen. Kurzum, wir brachten wenig Nutzen.
    Wir wurden südlicher in den Abschnitt von Bulazelowka bei Kupjansk geworfen. Auch dort lagen wir etwa zwei Wochen, hoben Panzergräben aus, legten Minen und bauten Bunker. Dann gingen die Deutschen zum Angriff über. Sie ließen eine unübersehbare Anzahl von Panzern los und belegten uns mit Bomben. Wir verloren vollständig den Kopf, gerieten ins Schwanken und wichen zurück. Kurz und gut, wir wurden zurückgezogen, durch Gardetruppen ersetzt und nach Kupjansk geschickt. Dort bauten wir wieder Bunker, hoben wieder Panzergräben aus, bis zu dem Augenblick, da die Deutschen heranrückten. Nicht lange verteidigten wir die Stadt, zwei Tage nur. Dann kam der

Weitere Kostenlose Bücher