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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Köpfe zuckte der Gedanke an Aufgabe, ans Überl aufen auf. Aber ehe man sich erheben, im Bodennebel vor den Gewehrmündungen der Zurückgebliebenen untertauchen konnte, war ein lang gezogenes »Uraaa« zu hören, das wenig Hoffnung auf Gnade ließ. Aus einer Geländefalte brach es auf, Gestalten in Pelzmützen und wattierten Jacken. Zarte blassblaue Rauchfahnen aus Gewehrmündungen, das Aufblitzen krepierender Handgranaten. Es war nur die erste Welle, die den deutschen Minengürtel zu durchbrechen versuchte, um die Verluste unter den russischen Panzern möglichst gering zu halten. Doch es gab nur noch wenige, viel zu wenige Minen. Vereinzelte Explosionen rissen nur spärliche Lücken in die wodkaberauschte braune Schlangenlinie.
    Plötzlich deutsches Maschinengewehrfeuer. Die Schützen in den beiden MG-Stellungen hatten in ih ren Löchern offensichtlich überlebt. Die erste russische Angriffswelle brach zusammen. Ein schweres Brummen zeigte an, dass sie ihr Ziel dennoch erreicht hatte. Der Weg war frei. Die ersten Panzer tauchten im Nebel auf. Mit beachtlicher Geschwindigkeit rollten sie durch den aufstäubenden Schnee direkt auf die deutschen Überlebenden in ihren Erdlöchern zu, unter denen die Verluste bisher relativ gering waren.
     
    Hans starrte für einen Moment vor Angst wie gelähmt auf die dröhnenden Stahlkolosse, die in Keilformation über das Feld jagten. Freiheit oder Tod – das hatte auch er sich vorgenommen, damit hatte auch er alle seine Zweifel betäubt. Aber nach dem schweren feindlichen Artilleriebeschuss, vor Kälte und Schwäche zitternd, schien es ihm völlig unmöglich, auch nur das Geringste gegen diese Ungeheuer ausrichten zu können.
    »Wo bleibt unsere Artillerie?«, brüllte er hilflos.
    »Wir sind die Artillerie!«, schrie Gross zurück und klopfte auf die geballte Ladung.
    Von links rollte der erste Panzer direkt auf Piontek zu, der allein in einem der Löcher hockte.
    »Raus!«, brüllte Gross. »Raus in den Schnee!«
    Piontek schien ihn nicht zu hören. Er duckte sich in sein Erdloch, so tief es ging, seine Hände umklammerten eine Haftladung wie ein Gebetbuch. Schwarz und unwirklich tauchte der Bug des Panzers über ihm auf. Entsetzen lähmte ihn, als sich eine der Panzerketten über das Loch schob. Der Panzer begann sich, Schneefontä-nen nach allen Seiten schleudernd, im Kreis auf dem Loch zu drehen, die Kette fraß sich tiefer, der Schnee färbte sich rot. Auch andere Panzer steuerten ganz gezielt die Schneelöcher an und führten dort ihren Totentanz auf.
    Man hatte gewusst, zumindest geahnt, dass es so kommen würde, aber jetzt, als man es sah … Es war unvorstellbar! Einige Soldaten pressten sich wie Feldhasen in ihre Mulden und erwart eten wimmernd das Ende, andere sprangen aus den Löchern, versuchten wegzulaufen, stolperten durch den Schnee, wurden von den MG-Schützen in den Kampfwagen niedergemäht. Es gab keine Rettung, nirgends, nicht einmal im toten Winkel zwischen den Panzern, weil die sich mit ihren MGs gegenseitig absicherten.
    Ludwig, ehemaliger Wachposten und kleiner Bewahrer einer längst aus den Fugen geratenen Ordn ung, geriet ein letztes Mal zwischen die Fronten. Mit einem Querschläger im Bein versuchte er verzweifelt, zwischen zwei Pirouetten vollführenden Panzern wegzukriechen. Dann ein letzter schriller Schrei, als er von einer Panzerkette in den Schnee gequetscht wurde, ehe sein Kopf zersprang wie eine Nussschale.
    Auch Rollo und Bubi sahen eine Panzerkette, die auf sie zujagte.
    »Raus!«, brüllte Rollo und zerrte den bewegungsunfähigen Kleinen mit aus dem Loch. Sie wälzten sich durch den Schnee. Wie ein hungriges Ungeheuer, dessen zuschnappende Kiefer die Beute knapp verfehlt hatten, drehte sich der Panzer mit aufheulendem Motor über dem Loch, aus dem sie geschlüpft waren.
    Der Anblick dieser sich immer tiefer fressenden Kette, deren Opfer sie um ein Haar geworden wären, verwandelte Bubis Angst in Hass. Diese Schweine! Geduckt sprang er los und warf eine scharf gemachte geballte Ladung zwischen Kette und Wanne. Rollo riss ihn zurück, bevor der Koloss den tödlichen Kreis auf seinem Rücken vollenden konnte. Auf den Ellenbogen robbten sie unter dem MG-Feuer durch den Schnee davon.
    Die Explosion zerriss die Panzer kette und verzerrte ihre Gesichter zu einem nicht mehr menschenähnlichen Lachen.
    Gleichzeitig tauchte aus einem noch unversehrten Erdloch eine schemenhafte Gestalt auf und lief mit hoch erhobenen Armen nach hinten, als wollte sie

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