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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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wieder einigermaßen richtig zwischen den Schultern, und er sah die angeschmorten, unbrauchbar gewordenen Filzstiefel des russischen Panzerführers, die möglicherweise seine Größe hatten.
    Er fluchte, riss sich zusammen und stolperte auf das nächste MG-Nest zu, das sich undeutlich rechts von ihm im Dunst abzeichnete. Dort kämpfte der einzig Überlebende panisch gegen eine vermeintliche Ladehemmung. Es war aber keine Ladehemmung, der Patronengurt war leer geschossen, doch der Schütze begriff es nicht.
    Fritz warf sich neben ihn, legte einen neuen Gurt ein. Russische Infanterie tauchte schemenhaft im Nebel auf. Das MG begann zu rattern. Plötzlich sahen sie zwischen den russischen Panzern einen Liliputaner stehen, der winkte. Ungläubig starrten sie beide auf die kleine Gestalt.
    Es war kein Liliputaner. Es war HGM, dem eine Panzergranate die untere Körperhälfte weggerissen hatte und der auf seinem Becken am Boden festfror wie ein kleines Kriegerdenkmal im Schnee.
     
    Auch Rollo sah ihn und schrie auf. Für ihn war es nicht der Denunziant Müller, der da erstarrte, sondern sein kleiner Sohn, der ihm ein letztes Mal zuwinkte: damals, auf dem Bahnsteig, vor einer unendlich langen Zeit.
    Bubi versuchte vergeblich, Rollo festzuhalten. Der lief dem Panzer nach, und er hörte wieder das leise helle Weinen, an das er sich drei Jahre lang nicht mehr hatte erinnern können, und es stach und brannte in seinen Augen, und er lief immer schneller, um es wieder loszuwerden, und prallte beinahe gegen den feindlichen Panzer, der stehen geblieben war, um zu feuern. Er sprang hoch, wie damals auf den Zug, und ebenso wie damals war das Weinen weg, und er war Soldat und versuchte die verdammte Luke zu öffnen und kriegte sie nicht auf.
    Der Panzer vollführte einen scharfen Schwenk nach rechts, als wollte er Rollo wie ein lästiges Insekt abschütteln. Auf dem vereisten Metall wurden ihm die Füße weggerissen, er rutschte mit einem Stiefel in den Auspuffschlitz, und die heißen Abgase versengten seine Stiefel und das Zeitungspapier darunter und das Fleisch, und die Hitze erzeugte exakt denselben Schmerz wie die Kälte. Rollo schrie auf, und der Panzer war nicht länger ein lebloses Stück Metall, sondern ein bösartiges Ungeheuer aus Fleisch und Blut.
    Den Hauptmann sah er er st im letzten Moment. Mit rußgeschwärzter Uniform tauchte er hinter der letzten einsatzfähigen 7,5-cm-Pak auf. Der Panzer steuerte genau auf ihn zu.
    Rollo hechtete in den Schnee. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Hauptmann eines der let zten Geschosse von einer vereisten Zeltbahn griff und die Granate mit beachtlicher Geschwindigkeit in die Pak balancierte. Im gleichen Augenblick feuerte der Panzer auf den einarmigen Hauptmann, die Granate fuhr unter dessen lose flatternden rechten Ärmel, er wurde zu Boden geschleudert, erhob sich jedoch zu Rollos fassungslosem Staunen sofort wieder, sprang hinter die Pak und schoss den Panzer aus nächster Nähe ab.
    Die drei letzten russischen Panzer zogen sich zurück.
    Rollo kämpfte sich mühsam hoch und humpelte auf versengten Füßen auf den Hauptmann zu, der wie ein Geist aus den fetten schwarzen Rauchwolken des brennenden Panzers hervortrat.
    »Die Russen treffen immer nur meine rechte Seite«, sagte Musk.
     
    Kurze Zeit später nahm der Hauptmann Verbindung zu den benachbarten Abschnitten auf. A uch dort war der Angriff zurückgeschlagen worden. Da der Schwerpunkt auf seinen Hügeln gelegen hatte, war das zu erwarten gewesen. Viel überraschender für ihn war, dass der Ausbruch aus dem Kessel offenbar tatsächlich bevorstand. Die Befehle waren eindeutig. Obwohl er die Männer damit geködert hatte, er persönlich hatte es bis zuletzt nicht geglaubt.
    Langsam krochen, schlichen, hinkten die wenigen Überlebenden der Schlacht herbei. Genau elf Mann. Mit einem gewissen Stolz sah der Hauptmann, dass auch seine vier ehemaligen Sturmpioniere überlebt hatten, sogar der einstige Leutnant.
    »Glückwunsch, Männer. Ihr habt euch schneidig geschlagen.«
    Musk holte ein Metallröhrchen aus seiner Rocktasche, entnahm ihm eine dunkle Zigarre, versprach, sie zu teilen. Sorgfältig bereitete er das Ritual vor. Nichts war schöner als eine mit knapper Not gewonnene Schlacht. Je knapper, desto besser. Er fühlte sich wie neugeboren.
    Suchend klopfte er seine Taschen ab. »Hat jemand Feuer?«
    Einige Feuerzeuge wurden ihm hingehalten. Eines funktionierte noch. Andächtig ließen die Soldaten die Zigarre

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