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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Trommelfeuer zu überleben, standen denkbar schlecht.
    Es war davon auszugehen, dass sich das gegnerische Feuer wieder auf die drei Höhen konzentrierte, vor allem, weil Musk dort zwei leichte Haubitzen postiert hatte. Die meisten dort wussten nicht einmal, dass für diese Geschütze längst keine Munition mehr zur Verfügung stand.
    Die fünf Bewährungssoldaten waren trotz aller Entbehrungen immer noch zu kräftig für die Todeshügel. Sie wurden mit vierzig anderen in die vorderste Linie getri eben. Die schmiegte sich schutzsuchend vor den Höhen in den Schnee und bestand zu ihrem Entsetzen aus weit gestreuten, viel zu flachen Erdlöchern und zwei frisch errichteten, mit weißen Sandsäcken gesicherten MG-Stellungen. Die halb erfrorenen Gestalten in den Schneelöchern hatten nicht gewusst, dass sie abgelöst und das schwächliche Rückgrat einer Auffangstellung bilden sollten. So hatten sie mit unermüdlichem Eifer die ganze Nacht gehackt. Ein brusttiefes Loch war trotzdem einsamer Rekord.
    Die Neuangekommenen fluch ten und begannen selber verzweifelt zu hacken. Daumennagelgroße Erdstücke waren alles, was sie aus dem steinhart gefrorenen Boden hieben. Selbst eine Sprengung wäre unter diesen Umständen sinnlos gewesen, doch Sprengstoff und Munition konnte man ohnehin nicht entbehren.
    Fritz wurde zu einem der MGs geschickt, um dessen Besatzung abzulösen. Einer war so dankbar, dass er ihm zum Abschied zwei Kalktabletten schenkte. »Hier schmier dir ’n Helm weiß ein, sonst biste gleich weg.« Sein aus Katzenfell genähter Fäustling schlug auf das mit Decken umwickelte MG-Schloss. »Scheiß Vierunddreißiger. Blockiert dauernd. Schön warm halten und beten.«
    »Gib mir deine Handschuhe«, sagte Fritz. »Kriegst sie nach’m Angriff wieder.«
    Die Grimasse des Landsers zeigt e, was er von Fritz’ Überlebenschancen hielt. »Dir wird’s schon warm, garantiert!«
    Fritz und zwei Leidensgefährten, die ihm als Schütze zwei und drei zugeteilt waren, wurden ihrem Schicksal überlassen. Es stellte sich schnell heraus, dass die zwei anderen, von denen der eine an einem Oberarmdurchschuss, der andere nur an Durchfall litt, noch nie in ihrem Leben ein MG bedient hatten.
    Fritz fluchte, versuchte ihnen das Nötigste zu erklären und bemerkte schon nach wenigen Sätzen, dass die beiden im Stehen eingeschlafen waren. Fritz schloss ihnen mit einem Schlag gegen das Kinn den Mund, damit die Lunge nicht einfror.
    Nach einer Weile merkte er, dass seine Hände liebevoll den Schaft des MGs streichelten. Hoffentlich funktionierte das Ding nachher einwandfrei.
     
    Musk schritt die Linie ab. Noch immer gab es Möglichkeiten, taktische Varianten, einen Plan, der theoretisch durchführbar war, auch wenn die negativen Parameter immer größer wurden. Es war nicht uninteressant, die Truppe unter derart extremen Bedingungen zu führen, die an Härte alles übertrafen, was Musk bisher erlebt hatte. Man gewann wertvolle Erkenntnisse für die Grenze des Machbaren, und die konnten für zukünftige Kämpfe von großer Bedeutung sein. Abgesehen davon wurden einem auch immer wieder große Augenblicke beschert, in denen gerade die Mutlosen, die zu Tode Erschöpften, die Verzweifelten über sich selbst hinauswuchsen, zu einem unvorstellbaren Maß an Heldentum.
    »Wir müssen uns von den Panzern überrollen lassen«, erklärte er, als würde es sich um einen Zu g beim Schachspiel handeln. »Anschließend machen wir sie von hinten fertig. Minen und geballte Ladungen liegen bereit. Gross, Rohleder, von Wetzland und Sie, Müller, sind für die Panzer verantwortlich, die anderen nehmen sich die Infanterie vor. Panzer, die die Hügel passiert haben, werden von unserer Pak unter Feuer genommen. Also vorher abspringen!«
    Die Blicke der Männer wurde n von einigen ausgebrannten T-34 angezogen, die in ihrem Rücken undeutlich vor den Hängen der Hügel auszumachen waren. Sie sahen inzwischen auch eine größere Anzahl gefallener Russen, die verstreut vor ihren Stellungen lagen.
    Sie warteten, verfielen wieder in dämmernde Erschöpfung. Die Zeit entglitt ihren Gedanken. Auf einmal würde der Tod da sein. So oft gesehen und trotzdem nicht vorstellbar. Da vorn war der Feind, den sie hassen und abwehren mussten, um zu überleben.
    Wenn wir diese Schlacht überleben, sind wir draußen, hämmerten sie sich ein. Nur dieses eine Mal noch. Freiheit oder Tod! Eine Entscheidung, so oder so.
    Alles war besser als das, was hinter ihnen lag. Weg mit der Angst,

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