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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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war, stellte er sich auf den Kopf und trank die Flasche leer. Die erschöpften Landser klatschten Beifall. Sein altes Kunststück kam immer noch an.
    Fritz setzte sich erschöpft wieder hin. Er hatte getan, was er konnte, mehr war nicht drin.
    Plötzlich wurde die Omnibustür von einem der Kettenhunde aufgerissen. »Los, raus! Alles aussteigen!«
    »Mach die Tür zu, ’s zieht!«, schrie Rollo zurück.
    »Raus!«, brüllte der Feldgendarm. »Ich sag’s nicht noch mal. Wir bleiben hier!«
    »Nein«, flüsterte Fritz. Dann schrie er: »Neei-i-i-n!«
    Er schrie so laut, dass selbst der Kettenhund erschrak. »Kommt schon, ich kann ja auch nichts dafür. Raus mit euch.« Es klang wie eine Entschuldigung.
    Fritz sank kraftlos in sich zu sammen. Die ersten Soldaten verließen apathisch den Bus. Hans und Rollo zogen Fritz hoch. Fritz wimmerte wie ein kleiner Junge und versuchte, sich an den Sitzen festzuhalten. Die anderen lösten seine Hände.
    »Komm, Fritz«, murmelte Hans. »Irgendwie schaffen wir das schon.«
    Sie stiegen aus und schlurften wie alte Männer an der Flanke des Busses entlang nach hinten. Am Heck stand Gross, keuchend, beide Hände gegen das rostige Metall gelehnt. Er hatte das wenige Bier, das er von Fritz bekommen und getrunken hatte, wieder erbrochen.
    Höhnisch funkelte er Hans an. » Ich wette, Sie haben bereits davon geträumt, zu Hause über die unglaublichen Verbrechen dieses Krieges zu berichten. Das Gewissen wachzurütteln. Wieder ein Held zu sein. Schämen Sie sich!« Mit aller Kraft hieb er seine Stirn gegen das vereiste Metall, auf dem ein roter Fleck zurückblieb. Mit blutverschmierter Stirn starrte er Hans wieder an. »Und ich Idiot habe tatsächlich befürchtet, ich würde meine Frau wiedersehen.«
    Hans legte ihm wortlos den Arm um die Schultern und zog ihn fort.
    Von Hauptmann Musk war weit und breit nichts zu sehen. Aus der menschlichen Busfracht wurden bereits wieder zwei neue Kampfgruppen zusammengestellt. Eine sollte auf die Kasatschihügel und die andere in den Norden, in die Nähe von Borodkin, wo auf dem Eiterkopf des Kessels ein neues Furunkel geplatzt war.
    »Seht ihr, wir können uns sogar aussuchen, wo wir verrecken«, sagte Gross.
    Nicht einmal das konnten sie. Es ging nach Borodkin. Quer durch den Kessel. Zu Fuß. Das war Pech, denn auf den Kasatschihügeln wäre ihnen in den nächsten Tagen ein schneller Tod sicher gewesen.

 
     
     
     
     
     
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    D er Leutnant hatte zwar seine Schulterstücke nicht wiederbekommen, dafür aber das Kommando über achtzig zerlumpte Gestalten. Wieder einmal hieß man Kampfgruppe von Wetzland, wieder einmal war man einer neuen Division unterstellt, die noch schwachbrüstiger war als die letzte, und wieder einmal taumelte man bei eisiger Kälte durch Dunkelheit und Schneetreiben.
    Die Uniformen waren hart gefroren wie Ritterrüstungen. Wer konnte, schlief im Gehen. So brauchte das ungeduldige Hupen eines Fahrzeugs hinter ihnen einige Zeit, bis es in ihr Bewusstsein drang. Sie mussten in den hüfthohen Schnee ausweichen.
    Der Kübelwagen hielt vor ihnen auf einer Brücke. Oberstleutnant Laske, Chef ihres ehemaligen Regiments, stieg aus, in Pelze gehüllt, Dampfwolken vor dem Mund. Die Soldaten tappten in seinen Reifenspuren völlig erschöpft auf ihn zu.
    »Was ist denn das für ein Sauhauf en? Wer ist hier der Vorgesetzte?«
    Die Soldaten wankten, ohne auch nur den Kopf zu heben, an ihm vorbei. Der Oberstleutnant hielt Hans fest, starrte wütend auf die mit Schnee und Eis bedeckte Uniform. »Ihre Einheit?«
    »Straf- und Todesbataillon, das weiß keiner mehr genau«, murmelte Hans, riss sich los und ging weiter.
    Der Oberstleutnant schnappte sich Rollo. »Wo ist der verantwortliche Offizier?«
    Rollo glotzte ihn verständnis los aus schneeblinden Augen an.
    »Wo ist Ihr Vorgesetzter? Antworten!«
    »Vorgesetzte gibt’s hier nicht mehr«, sagte Fritz.
    Oberstleutnant Laske sah sich hilflos um. Er hätte am liebsten seinen Fahrer auf diesen verlotterten Haufen anlegen lassen, aber der hatte alle Hände voll zu tun, den Motor nicht absterben zu lassen.
    »Name, Dienstgrad, Einheit!«, schrie er Rollo an.
    »Wir sind namenlos, und Ihr Name ist Arschloch!« Gross stieß den Arm des Offiziers von Rollos Schulter. Die beiden schlurften weiter.
    Der Oberstleutnant war ob dieser Ungeheuerlichkeit für einen Moment wie gelähmt. Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten! Sein Blick suchte angestrengt nach de n Übeltätern, doch die waren

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