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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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fühlen, und so war er eines Morgens, nach einer weiteren schrecklichen Nacht im Krankensaal, mit erhobenen Armen ins Freie gestürzt, kurz bevor das russische Flugzeug gekommen war und mit seinen Bomben endlich dem Leiden der Sterbenden ein Ende gemacht hatte. Mit den herunterrauschenden Bomben hatte er seinen Glauben, sein Gefühl für Gott wiedergefunden, wenn auch in veränderter Form. Er war fest davon überzeugt, dass diese Bomben von Gott gesandt waren. Während er an das Ereignis zurückdachte, sich auf den Knien im Schnee die Barmherzigkeit des Herrn preisen sah, veränderte sich sein Gesicht und schien ebenso auseinanderzufallen wie seine rationale Gedankenwelt.
    »Ich habe viel gelernt in diese n Wochen. Wir sind in einer Notlage, und es ist völlig klar, dass wir nicht alle überleben werden. Nur die Besten und Stärksten überleben – das ist das Gesetz der Natur, das Gesetz des Führers, und es ist Gottes Gesetz.« Unbewusst begann er zu predigen. »Es ist das Verdienst des Führers, Gott vom Mitleid befreit zu haben. Jetzt, in Stalingrad, sehen wir Gott wieder in seiner wahren Gestalt, stark und gerecht, und nur den Schwachen erscheint er grausam. Nur eine kleine Elite ist fähig, diesen Anblick zu ertragen …«
    Fritz unterbrach ihn barsch: »Zeig uns endlich deine Russen! Weil, wenn’s die nicht gibt, geht dein Flieger ohne dich.«
    Danach zog es der Pfarrer vor, zu schweigen. Schließlich wies er auf einen Hauseingang. »Wir halten besser hier.«
     
    Fritz stoppte den Wagen hinter einer zerstörten Maschinenhalle. Misstrauisch folgten sie dem Pfarrer durch die Ruinen. Sie überquerten ein Schuttfeld, tasteten sich durch ein Gewirr aus rostigen Fahrzeug- und Maschinenteilen. Die Reste eines der unzähligen deutschen Sturmangriffe, die von russischer Artillerie zusammengehauen worden waren. Es ging an den rußgeschwärzten Trümmern eines Lagerschuppens entlang. In einem Hauseingang lag einsam ein sterbender Soldat, das linke Auge von einem blutverkrusteten Verband bedeckt. Flehend streckte er den vier Gestalten, die er wohl nur noch schemenhaft erkennen konnte, sein Goldenes Kreuz Erster Klasse entgegen.
    »Bitte«, stammelte der Mann, » ein Stück Brot … Bitte, ich verkauf es, für ein Stück Brot …«
    Rollo zögerte, dann ging er zu ihm und drückte ihm ein Stück Brot in die Hand. Er starrte auf das kleine goldene Kreuz, das noch unendlich viel mehr wert war als dasjenige, das er sich immer erträumt hatte. Er stopfte es dem Mann in die Tasche.
    Der Soldat, ein ehemaliger Hauptmann, bat um eine letzte Kugel für seine Waffe. Hans gab sie ihm. Daraufhin bat der Hauptmann den Pfarrer, die Kugel zu segnen und seine Waffe damit zu laden. Der Pfarrer sah die anderen unsicher an. Hans nickte. Der Pfarrer segnete die Kugel und steckte sie ins Magazin.
    »Halten Sie meine Hand«, flüsterte der Sterbende. »Ich will es selbst tun … Schließlich bin ich deutscher Offizier.«
    Der Pfarrer hielt seine Hand, der Hauptmann steckte sich mit der anderen die Pistole in den Mund, sah Hans an, Tränen rannen ihm übers Gesicht. Er nahm die Waffe wieder aus dem Mund.
    »Es tut nicht mehr so weh«, flüsterte er.
    Hans begriff. Ebenso wie er, wie Gross, wie viele andere, hatte der Hauptmann den kurzen Augenblick verpasst, in dem die Furcht vor dem Leben die Furcht vor dem Tod überwog. Sterben würde er so oder so in der nächsten halben Stunde. Es war seine Sache, ob er darauf warten wollte oder nicht.
    »Wir müssen weiter«, sagte Hans.
    Der Hauptmann richtete plötzlich den Lauf seiner Waffe auf ihn. Hans hatte keine Angst. Er fühlte nur eine gewisse Neugier, wie sich die Situation weiterentwickeln würde.
    »Wenn du mich erschießt«, sagte er mit ruhiger Stimme, »hast du keine Kugel mehr. Vergiss das nicht.«
    Der Hauptmann starrte ihn noch einen Moment an, dann begann er zu schluchzen. Die Waffe fiel ihm aus der Hand.
    »Wenn ich tot bin«, flüsterte er weinend, »hab ich dann keine Schmerzen mehr?«
    »Nein«, sagte Hans, »nie mehr.«
    »Versprichst du es?«
    »Ja«, sagte Hans, »ich verspreche es.«
    Erspar dir diese letzte halbe Stunde, dachte er. Tu es allein. Wenn ich es schon nicht konnte, vielleicht kannst du es.
    Er bückte sich und drückte dem Hauptmann die Waffe wieder in die Hand. Der spürte das Metall, zitterte, riss die Waffe hoch, presste den Lauf gegen seine Schläfe und schoss.
    Die Kugel schrammte seinen Kopf entlang und verlor sich in der Nacht.
    Ehe der Hauptmann begreifen

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