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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Antwort war ein Feuerstoß. Hans riss die Waffe hoch und erschoss den Feldgendarmen, der krachend eine weitere Reihe von Dosen unter sich begrub.
    Der letzte richtete sich auf, wollte eine Handgranate werfen. Fritz schoss ihm in den Rücken, w ährend Magensäure in seine Mundhöhle stieg. Der Mann drehte sich mit vorquellenden Augen um, hob die Waffe. Eine Salve von Rollo zerfetzte ihm Leber und Nieren.
    Die abgezogene Handgranate rollte an Fritz vorbei, und Fritz dachte: Jetzt hab ich doch wieder geschossen, obwohl ich es nicht wollte. Aber jetzt ist Schluss, endgültig! Gleichgültig betrachtete er die Handgranate, die jeden Moment hochgehen musste, und er fragte sich, wozu er überhaupt ges chossen hatte, wenn er doch verrecken musste, und irgendwie fühlte er sich für den ganzen Schlamassel nicht mehr zuständig. Er war nicht mehr hier, einfach nicht mehr hier, und verständnislos nahm er wahr, wie Rollo sich über ihn warf, nach der Handgranate grapschte und sie blind die Treppe hochschleuderte, wo sie detonierte.
    Rollo stand auf, hielt sich stöhnend den Daumen, den er sich bei dem Sprung verstaucht hatte, sah sich triumphierend um. »Nichts verlernt, was?« Er versetzte dem zuletzt Getöteten einen wütenden
    Tritt. »Legt ihr euch noch mal mit Sturmpionieren an!«
    Fritz starrte auf ein Stück Brot, das eine der Leichen umklammert hielt. Wie in Trance nahm er es an sich und biss davon ab. Kaute Bissen um Bissen. Sie hatten das Depot erobert. Das Fressen.
    Hans trat zu ihm. Fritz’ rechter Ärmel war rot verschmiert. »Bist du verletzt?«
    »Ist, glaube ich, nur Marmelade.« Etwas Blut sickerte durch den Stoff. »Fast nur …«
    Gross warf einen letzten Blick auf den Lieblingsakt des Führers. Deutschlands kulturelle Zukunft. Sein Gewehrlauf fetzte das Bild von der Wand. »War auch nicht schlimmer, als Russen abzuknallen.«
    Rollo musterte die Spielkarten auf dem Tisch. »’ne blanke Zehn! Wär Schneider geworden!«
    Dünn und hohl klangen ihre Worte im Raum. Mechanisch zwangen sie sich zu weiteren Handlungen.
    Hans entdeckte hinter einigen K isten mit Kaffee eine Reihe Benzinkanister. Er drückte Fritz einen in die Hand. »Hol den Lastwagen her. Gross soll dir einen Weg zeigen. Nach dem Feuerzauber bekommen wir sicher bald Gesellschaft. Laden wir ein, was geht.« Er nahm Rollo eine Tafel Schokolade ab. »Fressen kannst du später.«
    Auf einmal sprang Rollo über die aufgeplatzten Mehlsäcke und warf sich gegen eine Wand aus Munitionskisten. Mit lautem Krach fiel er samt den Kisten über eine zierliche Gestalt. Seine Hände griffen nach einem langen Mantel. »Halt, du Sau!«
    Der Mann schlüpfte mit beachtlicher Geschwindigkeit aus dem Mantel, sprang auf und wollte den Gang entlang flüchten, der sich hinter der Kistenwand auftat. Er stolperte über das Bein von Hans und schlug lang hin. Wütend drehte er sich um. »Du wagst es, einen Geistlichen …?«
    Fritz starrte ihn mit großen Augen an. Es war derselbe Pfarrer, vor dem Herbert seinen Ring versteckt hatte und der Haller beim Selektieren behilflich gewesen war. Im Gegensatz zu ihnen hatte er sich kaum verändert.
    Auch Rollo erkannte ihn jetzt. »Mensch, die Sündenabwehrkanone!«
    Rückwärts, auf Händen und Füßen, bewegte sich der Pfarrer wie ein Insekt in die Dunkelheit des Ganges. »Wie wollt ihr jemals vor euren himmlischen Richter …«
    Hans trat zu ihm, riss ihn hoch . Die Zusammenhänge waren klar.
    »Und wie wollen Sie vor ihn treten, Hochwürden?«
    Er griff in die Tasche des Geistlichen und hielt ihm Eheringe, Schmuck und Zahngold unter die Nase.
    Der Pfarrer wurde blass. »Ihr verworfenen Kreaturen, diese Dinge wurden mir von sterbenden Kameraden anvertraut!« Er log genauso schlecht wie in seinen Predigten.
    »Ein Schmierenkomödiant der Ewigkeit«, sagte Hans. »Ihre Schutzbefohlenen haben sich sogar extra noch die Zahnplomben kurz vor dem Exitus rausgerissen, damit es die Hinterbliebenen in der Heimat auch gut haben. Und Sie befinden sich nur ganz zufällig hier.«
    Der Pfarrer begriff, dass weiter es Theater sinnlos war. Sein Pathos verschwand schlagartig aus Gestik und Stimme. Wieselflink taxierten seine Augen die vier Gesichter, die ihn umstellt hatten. Er lächelte, als wären sie alle Verbündete in ein- und demselben Komplott. »Genauso zufällig wie ihr.«
    »Komm, lass mich das Pfaffenschwein umlegen«, sagte Rollo. Er hielt ihm einen Ehering unter die Nase. »Auf den Ring wartet ’ne Frau zu Hause.« Er knallte den Ring

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