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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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»Ich fünfzig Jahre alt, zehn Jahre Gefängnis, nur ein graue Haar. Ich nur ein Mensch getötet.« Er wies mit dem Kochgeschirr auf Hans. »Du mehr töten, du weiße Haare. Du Held.« Er hustete, kippte etwas Schnaps in seinen Kaffee, trank. »Ich mag deutsche Held. Ich ein böser Mensch, töten für Essen, du Held, töten für Hitler.« Er lachte heiser. »Ich ma g Hitler. Ich schulden ihm Freiheit.«
    Stolz begann er zu erzählen, wie er bei den Kämpfen um die Stadt aus dem Gefängnis entkommen war. Der Pfarrer kannte die Geschichte schon und versuchte, sie zu beschleunigen, indem er an den richtigen Stellen entsprechende Stichworte einwarf. Die Angst, sein Flugzeug zu verpassen, saß ihm im Nacken. Schließlich brachte er das Gespräch auf das eigentliche Thema.
    Petroff versprach, sie im Tausch für ihre gesamten Lebensmittel von einem russischen Führer aus dem Kessel schleusen zu lassen. Sie würden Kompass, Skier und warme Kleidung erhalten. Angeblich konnte er ihnen sogar russi sche Uniformen und Ausweise verschaffen.
    »Rauskommen, nicht Problem, nitsch ewo«, schloss er. »Deutsche Front große Problem. Dreihundert Kilometer. Laufen wie Hasen, eure Freunde.«
    Hans hatte Mühe, sich das Lac hen zu verkneifen. Das Ganze erschien ihm völlig fantastisch. Rollo zog die beiden anderen beiseite. »Ich trau denen nicht«, flüsterte er. »Die kassieren, liefern uns bei den Russen ab und kassieren noch mal.«
    Fritz nickte grimmig. »Fressen wir unser Zeug lieber selber …«
    »Es bleibt uns doch gar nichts anderes übrig«, widersprach Hans, doch er klang völlig unbeteiligt. »Wer sich eine Hoffnung leistet, muss dafür bezahlen.«
    Rollo hätte ihn am liebsten geschlagen, doch Fritz wusste, dass Hans recht hatte. Es gab keinen anderen Ausweg, als an irgendeine märchenhafte Rettung zu glauben.
    Sie beschlossen, von dem Russen gegen einen Teil ihres Schmucks einen seiner Leute als Geisel zu fordern. Petroff war einverstanden, was weniger den Schluss nahelegte, dass er es ehrlich meinte, als den, dass ihm an keinem seiner Truppe besonders viel lag.
    »Morgen Mittag«, sagte er abschließend. »Drei Uhr. Ihr Fressen, wir Freiheit.«
    Es gab für jeden noch einen Schluck Wodka. Auch der Kosaken-Hetman trank mit, ehe sein Kopf endgültig auf die Theke sank.
    Rollo sah sich unschlüssig unter den Männern um. Wen sollten sie mitnehmen? Petroff winkte ab. Das hatte Zeit. Er forderte sie auf mitzukommen. Ihr Vorhaben sei sehr gefährlich, und da sie nun auch seine Freunde seien, sollten sie nicht ohne Frau sterben.
    Rollo klappte die Kinnlade nach unten.
    Petroff zog eine Zeltbahn zur Seite. In einem fensterlosen Nebenraum lagen zwei Matratzen auf der Erde, darauf kauerten zwei verwahrloste Frauen zwischen dreißig und vierzig. Die eine war korpulent und blond, die andere knochig und dunkelhaarig, beide waren gleich schmutzig.
    Petroff wies auf die Blonde. »Das ist Stalin.« Er zeigte auf die Dunkelhaarige. »Das Hitler. Stalin besser von vorn, Hitler besser von hinten.« Er lachte.
    Hans drehte sich um und setzte sich an die Theke neben den Pfarrer, der sich zitternd Wodka einschenkte.
    »Warum so nervös, Herr Pfarrer?« Hans goss sich ebenfalls noch einmal ein. »Von uns kommt sowieso keiner mehr hier raus. Das wissen wir beide doch längst. Also trinken wir noch einen.«
    Rollo betrachtete noch immer die Frauen. Seine Begeisterung hatte sichtlich nachgelassen. Doch dann erinnerte er sich an Italien. Er hatte es damals schon gewusst: Ungefickt an die Front brachte Pech! Das würde ihm nicht noch mal passieren. Es war überlebensnotwendig, dass er die Nummer schob.
    »Was kostet’s denn, wenn die sich waschen?«
    Er einigte sich mit Petroff auf zwei Ringe für zwei gewaschene Frauen. Petroff scheuchte die Frauen in eine Art Küche.
    Hans musste lachen, als Rollo ihn wegen der Bezahlung anging.
    »Sehen Sie Herr Pfarrer, jetzt sind Ihre Ringe doch noch zu was gut.«
    Der Pfarrer zog es vor, zu schweigen . Fritz hatte sich auf die freigewordenen Matratzen gelegt und war eingeschlafen. Rollo legte sich neben ihn. »Ihr werdet staunen, die sehen hinterher aus wie neu«, murmelte er, dann fielen ihm ebenfalls die Augen zu.
    Der Pfarrer verfolgte einen weiteren Spielzug der Schachspieler. Jede neue Weltordnung wurde unter großen Schmerzen geboren. Er musste morgen Abend unbedingt in dieses Flugzeug steigen. Sein Platz war ihm vom Generalleu tnant für treue Dienste fest zugesagt worden. Schließlich hatte der Stab

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