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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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erreichen.
    »Vorwärts, Männer! Raus aus dem Feuer!«
    Seine linke Faust stieß dreimal in die Höhe.
    Die Kompanien stürmten blin d durch die Feuerwand der feindlichen Artillerie. Sie hatten erhebliche Verluste. Auf die Überlebenden wartete heftiges MG-Feuer, das ihnen aus dem Wohnblock und den links und rechts angrenzenden Gebäuden entgegenschlug. Sie saßen wie die Ratten in der Falle.
    Musk, wütend über die hohen Ausfälle, brüllte ins Mikrofon:
    »MG-Nester im Erdgeschoss ausschalten!«
    Das zweite Sturmgeschütz nahm das Erdgeschoss unter Feuer. Die feindlichen MGs dort verstummten in einer Staub- und Rauchwolke.
    Pflüger, Rollo und Fritz brachten ein MG hinter einem Mauerrest in Stellung. Einem Bluthaufen, der bis vor wenigen Sekunden noch gelebt und zu Pflügers Kompanie gehört hatte, nahmen sie zwei Munitionskästen ab. Pflüger riss das dazugehörende MG einem heftig zitternden Gefreiten aus den Händen, dessen weit offenstehender Mund noch einige Male das Wort »Heim« formte, ehe ihn eine Kugel durchschlug.
    Überall brüllende und berstende Erde. Beton und Leichenteile waren die einzige Deckung.
    Nach dem ersten Chaos gelang es den Offizieren, wieder etwas System in das Sterben zu bringen. Pflüger eröffnete das Feuer auf das MG-Nest in einem Keller links von ihnen, das unter den schutzlos über den Platz verstreuten Soldaten weitere Opfer forderte. Nur wenige wagten aufzuspringen und sich in einem der frisch gähnenden Trichter in Deckung zu werfen. Rollo gelang es, die beiden MG-Schützen in ihrer rechten Flanke mit einigen kurzen Feuerstößen aus seiner russischen MPi auszuschalten.
    Hans war nicht gelähmt. Nicht mehr. Nicht, nachdem eine MG-Garbe drei neben ihm laufende Soldaten zu kriechenden, eine breite Blutspur im Dreck hinterlassenden Sterbenden deformiert hatte. Jede ihrer letzten sinnlosen Bewegungen und nicht zuletzt ihr schreckliches, jenseits aller Mens chlichkeit liegendes Gebrüll erzeugten in ihm eine ungeheure kalte und erbarmungslose Wut. Die Wut breitete sich wie ein dunkler Mantel über sein ganzes Denken und Fühlen und machte ihn unempfindlich gegen jede Furcht.
    Er hatte keine Hoffnung mehr, diesen Kampf zu überleben. Er wollte nur noch möglichst viele Feinde töten, bevor er selbst getötet wurde. Rache! Die Zeit hob sic h hinweg. Er glaubte, unverwundbar zu sein.
    Bereits auf dem Sprung vorwärts bemerkte er einen jungen Infanteristen, der zitternd in einem Hauseingang kauerte. Er befahl ihm mitzukommen und lief los.
    Der Infanterist machte einen schwachen Versuch, ihm zu folgen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. So blieb er sitzen, und eine Kugel zerschlug seinen Hinterkopf, ohne dass er jemals die rauschhaften Gefühle des Kampfes kennengelernt hatte.
    Der Leutnant hechtete über den Torso einer Brunnenfigur, warf sich neben Fritz und Rollo und sah mit staubverklebten Augen, wie Fritz in seinem Brotbeutel nach einer Nebelkerze wühlte.
    »Alles planmäßig verpackt – hier!«
    Er reichte die Nebelkerze Rollo, der ein besserer Werfer war. Rollo schleuderte sie vor das linke feindliche MG-Nest und ließ noch zwei folgen.
    Hauptmann Musk kroch mit Dieter, Bubi und Feldmann zu ihnen. »Gut gemacht. Räuchert den Schuppen aus. Angriff!«
    Nach der nächsten Granate stürmte er los. War im nächsten Trichter, bevor eine neue Erdfontäne ihn ihren Blicken entzog. Die Reste der Kompanien von Wetzland und Pflüger gingen gegen das linke MG-Nest vor.
    Das Sturmgeschütz nahm währenddessen weiter den Büroblock unter Feuer. Die Pioniere wurden trotz des Nebels von russischen Infanteriewaffen unter rasendes Feuer genommen, der Angriff blieb nach weiteren Ausfällen vor dem Keller liegen. Von Fritz und Rollo geschleuderte Handgranaten fielen zu kurz.
    Plötzlich sahen sie im Nebel hinter ihnen Gestalten aus der Erde wachsen und auf das Sturmgeschütz zulaufen.
    Rollo schoss einen Russen v om Geschütz, der gerade eine geballte Ladung in dessen Rohr schieben wollte, die anderen verschwanden wieder in dem Schacht. Der Leutnant schleuderte eine Handgranate hinter ihnen her und beschwerte den Schachtdeckel mit Gesteinsbrocken.
    Sie schlugen sich zu Musk durch. Die Reste des Bataillons lagen hilflos im Feuer fest. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis es dem Feind gelingen würde, sich durch irgendeinen Schacht in ihrem Rücken festzusetzen.
    Der Leutnant starrte Musk keuchend an. »Wir kommen nicht ran, Herr Hauptmann, unmöglich.«
    »Unmöglich gibt’s nicht!«,

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