Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
Vom Netzwerk:
nach halb rechts. »Dort, hinter dem Eisenträger.«
    Der Leutnant suchte mit seinem Glas ebenfalls die Trümmerlandschaft ab. »Ich kann niemanden ausmachen.«
    »Doch, Mensch, da!«, rief Fri tz, und dann bekam er große Augen. »Scheiße, der frisst. Der frisst unser Essen!«
    Allgemeine Empörung. Der L eutnant hatte den Mann nun ebenfalls im Glas.
    »Scheint ihm zu schmecken«, meinte er trocken.
    »Sie haben vielleicht Nerven!«, schimpfte Pflüger. Rollo fluchte. Wölks Backen zuckten.
    Fritz setzte sich seinen Stahlhe lm auf und ging nach oben. »Verwechselt mich nach Möglichkeit nicht mit ’nem Russen.«
    »Reiser!«, rief der Leutnant. Aber Fritz war bereits draußen.

 
     
     
     
     
     
    18
     
     
    E r rollte hinter eine zerschossene Pak. Der Regen rauschte herunter und bildete eine durchsichtige Wand. Fritz war sofort bis auf die Haut durchnässt. War nicht besonders klug, in diesem Regen rumzukriechen. Aber hier konnte man sowieso nur Fehler machen. Er wollte wenigstens noch einmal etwas Richtiges essen; dafür konnte man ausnahmsweise sogar mal den Helden spielen.
    Die letzte Leuchtkugel erlosch. F ritz versuchte sich zu orientieren. Vorhin waren es vielleicht sechzig Meter bis zu den Leichen und dem Essen gewesen, jetzt noch fünfzig, aber die galt es kriechend zurückzulegen.
    Meterweise arbeitete er sich vorw ärts. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich, verharrte, hörte es deutlich, warf sich herum und auf einen schemenhaften Körper, der sich hinter ihm bewegte.
    Es war Bubi. Der Kleine.
    »Wohl verrückt geworden«, zischte Fritz.
    »Ihr habt mich abgeschrieben, aber ich komm mit«, keuchte Bubi, und das Weiße seiner Augäpfel leuchtete so stark im Dunkeln, dass Fritz befürchtete, allein das würde genügen, um sie zu verraten.
    »Geh lieber zurück! Los, hau ab hier!«
    Unter dem Licht einer Leuchtrakete wurde es wieder hell. Ein deutsches MG ließ hinter ihnen den Dreck aufspritzen. Die Russen schossen sofort zurück. Mit etwas mehr Streuung wäre es aus mit ihnen gewesen.
    »Los!«
    Der Kleine musste zusehen, wie er klarkam. Sie stolperten in neu einsetzender Finsternis über den Pl atz, Fritz stieß mit dem Schienbein schmerzhaft gegen einen Mauerrest, Bubi prallte gegen ihn, klammerte sich an seine Hose, die unter seinen Fingern zerriss.
    Die nächste Leuchtkugel zwang sie hinter einigen halb verwesten Leichen in Deckung. Bubi zitterte. Seine Finger klammerten sich um den Stofffetzen, den er aus Fritz’ Hose gerissen hatte.
    »Ich hab keine Angst«, wisperte er.
    »Aber ich.«
    Granatwerfereinschläge ließen bedrohlich nah die Erde hochspritzen. Splitter surrten. In einem Totenschädel vor Bubis Gesicht schienen sich plötzlich die Augen zu bewegen. Bubi schrie auf, wollte hochspringen und weglaufen. Fritz zerrte ihn auf den Boden zurück, hielt ihn fest.
    »Der Kopf. Der Kopf lebt noch!«
    »Halts Maul! Bleib unten! Ist nur ’ne Ratte.«
    Ein neuer Granatwerfereinschlag schlug eine Beule in Bubis Stahlhelm. Der Helm flog ihm vom Kopf, und er begann wieder zu schreien.
    Fritz packte ihn am Kragen und stürzte mit ihm hinter den Stahlträger, wo der einzige überlebende Essenholer hockte und in aller Seelenruhe die zweite Hälfte einer Wurst vertilgte. »Wo bleibst du denn, du Arsch?«, brüllte Fritz.
    Der Mann, fast zum Skelett abgemagert, unrasiert, dreckig, mit rot unterlaufenen Augen, biss wieder von der Wurst ab und lauschte dabei auf das Geschützfeuer. »Schwere Koffer. Feldhaubitzen. Jeden Tag mehr«, erklärte er kauend. »Haufenweise Granatwerfer. Jetzt bringen sie auch noch Raketenwerfer …« Gelassen schob er Bubi ein Stück Zucker in den keuchend en Mund. »Beruhigt die Nerven.«
    »Quatsch«, sagte Fritz, der bez weifelte, dass dieser Mann überhaupt noch wusste, was Nerven waren.
    Er nahm ihm die Wurst weg, biss gierig ein großes Stück ab. Das Skelett nahm sich wortlos die nächste.
    Fritz würgte den zu großen Happen hinunter. »Da weiß man wenigstens, für was man den Arsch hinhält.« Er bemerkte Bubis hungrigen Blick. »Du wartest, bis wir zurück sind. Wenn du mit vollem Magen ’n Bauchschuss kriegst …« Er stopfte sich den Rest der Wurst in den Mund, dann erspähte er einen der toten deutschen Essenholer und neben ihm die kaum beschädigten Kanister. Fritz glaubte, den Geruch des Essens durch den Leichengestank riechen zu können. Er stieß das Skelett an. »Kannste noch was außer fressen?«
    Der Mann zuckt e gleichgültig mit den

Weitere Kostenlose Bücher