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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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rückständigen Land? Da war ja Polen noch ein Ausbund an Kultur dagegen!
    Die Bodenschätze, für die man die halbe Nation verbluten ließ, hätte man angesichts der katastr ophalen Wirtschaftslage des Sowjetsystems jederzeit für ein Butterbrot bekommen können. Die Eroberung von Lebensraum war ein schlechter Witz. Wenn dieser Krieg so weiterging, war vom deutschen Volk bald nicht mehr genug übrig, um das Saarland zu besiedeln.
    Trotz allem kein Grund, den Kopf hängen zu lassen und den Appetit zu verlieren. Schließlich war man für die Gesamtlage nicht verantwortlich. Er war gekommen, um Zuversicht zu verbreiten, und darin war er sehr gut.
    »Ihr habt euch tapfer geschlagen, Männer. Es ist nicht zuletzt euch und euren gefallenen Kameraden zu verdanken, dass sich jetzt neun Zehntel dieser verfluc hten Stadt in unserem Besitz befinden. Das letzte Zehntel werden wir dann wohl auch noch schaffen.« Er ließ sich von Musk einen Zettel reichen. »Rohleder! Reiser!« Die beiden meldeten sich. »Tolle Sache, eure Zugfahrt! Rohleder, Sie wurden mir von Ihrem Kommandeur für das EK I vorgeschlagen, Reiser fürs EK II. Alle erhalten das Stalingrad-Sturmabzeichen.«
    Die Ordensflut löste bei den Meisten Begeisterung aus. Hans drehte sich zu Gross um und sah, wie der und Hauptmann Musk einen Blick tauschten. Die beiden schienen sich zu kennen.
    Die anderen bemerkten es nicht. Ihre Aufmerksamkeit wurde weiterhin ganz von dem General in Anspruch genommen, der auf Bubi zuging und ihm die nackte magere Schulter tätschelte. »Na, Junge? Alles gut überstanden?«
    »Ja-jawohl, Herr General.«
    Hentz klopfte ihm jovial gegen die Rippen. »Du musst mehr essen, Winterspeck ansetzen. Ist die Verpflegung nicht gut?«
    »Alles ausgezeichnet, Herr General!«, schrie Pflüger.
    Hentz wusste, dass er sich mit so einer Antwort nicht zufrieden geben durfte. »Wirklich, Junge?«
    »Jawohl, Herr General.« Bubi zögerte, wurde rot. »Ich … ich hab nur nicht so viel Hunger.«
    Hentz nickte. »Verstehe. Erster Einsatz?«
    »Jawohl, Herr General.«
    Der General sah rasch hoch, und die grinsenden Soldatengesichter wurden mit einem Schlag wieder ernst. »Hatte ich im letzten Krieg an der Somme auch«, sagte er. »Dauert drei Tage. Man meint, die Welt geht unter, aber dann gibt’s doch wieder einen neuen Tag.«
     
    Musk war, während Hentz den Männern Verbundenheit vorführte, neben Gross getreten. Der hatte sich längst wieder in die heiße Wanne gelegt.
    »Gratulie re«, sagte der Hauptmann leise.
    Gross hob nicht mal den Kopf. »Zu was?«
    »Zu deiner Rehabilitierung. Du bist ab sofort wieder regulärer Soldat.«
    Gross schien nicht sonderlich begeistert. »Wer sagt das?«
    »Der General sagt das. Von Wetzland hat in seinen Meldungen so von dir geschwärmt, dass der Kugelblitz meinte, es wäre nicht zu verantworten, dass du in einem Strafbataillon vor die Hunde gehst. Also bist du wieder dabei, natürlich ohne deinen früheren Dienstgrad.«
    »Natürlich«, sagte Gross und dachte: Wenn er mich anfasst, schlag ich ihn tot. »Und wenn ich nicht will?«
    Musk lächelte dünn. »Lass ich dich wegen erneuter Befehlsverweigerung erschießen.«
    Gross sah nun doch zu ihm hoch und lächelte ebenfalls. »Das würdest du glatt fertigbringen.« Er registrierte die vielen grauen Fäden in Musks Haar. »Töten macht alt, was?«
    Musk presste die Lippen zusammen. Der Mann im Waschzuber war früher einmal ein vielversprechender Architekt, mittelmäßiger Bildhauer und sein bester Freund gewesen. »Otto, du bist mir noch was schuldig«, sagte er dann, und es entging ihm nicht, dass Gross bei der Nennung seines Vornamens leicht zuckte. Er wartete ab. Gross musterte Rollos nackten Arsch.
    »Hast dir ja wieder eine richtige Mustertruppe aufgebaut«, sagte er schließlich. »Deine Angriffe trennen die Spreu vom Weizen. Nicht schlecht, die Kameraden. Fast so gut wie die, die du in Demjansk verheizt hast.«
    »Sie sind deinetwegen gestorben«, sagte Musk.
    »Natürlich.«
    Gross war damals gegen Musks Befehl mit einigen Männern durch den Einschließungsring der Russen gebrochen. Niemand außer ihm hatte überlebt. Die Reste von Musks Einheit waren nach zwei Monaten aus dem Kessel befreit und Gross war wegen Befehlsverweigerung verurteilt worden. Er hatte es hauptsächlich Musks Fürsprache zu verdanken, dass er nicht erschossen worden war. Nach einem halben Jahr Strafkompanie hasste Gross ihn dafür.
    »Wahrscheinlich haben wir beide einen Fehler gemacht«,

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