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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Germanische Kultur gibt’s überall, selbst bei den Termiten«, dozierte er. »Haste ma ’n Termitenbau gesehen? Germanische Rundbögen! Die Natur ist voll davon. Woher ich das weiß? Bin Maurermeister, Junge. Hoch qualifiziert. Hab das Ulmer Münster renoviert.«
    Zufrieden registrierte er, das s über der Nordstadt Rauch aufstieg, und knuffte Pflüger in die Seite, bei dem zivile Stimmung immer Melancholie erzeugte. »Beim Wiederaufbau verdienen wir uns ’ne goldene Nase.«
    Pflüger konnte ihren Betriebsausflug nicht richtig genieße n.
    »Wenn ich dran denke, was die alles in der Heimat zerstört haben«, widersprach er. »Ich bau hier nichts wieder auf.«
    »Du bist einfach unfähig, die einfachsten wirtschaftlichen Zusammenhänge zu begreifen«, hielt ihm Fritz vor.
    Rollo nahm einen Zug aus Wölks Zigarre. »Krieg is besser als Maloche, das is mal klar.«
    Hans wollte ein Erinnerungsfoto machen, kam jedoch mit seinem neuen Apparat nicht zurecht. Missmutig studierte er die Gebrauchsanweisung.
    »Entschuldigung, Herr Leutnant«, ließ sich Bubi vernehmen. »Ich hab schon mal mit der gleichen Kamera von meiner Tante fotografiert.«
    Skeptisch überließ ihm Hans die Kamera. Erstaunlich sicher und sachkundig legte Bubi den Film ein. Der Leutnant nickte anerkennend und war einen Moment peinlich davon berührt, welch tiefe Freude er damit bei dem Jungen auslöste. Rasch wandte er sich ab.
    »Alle herkommen fürs Foto!«
    Bubi machte sich fertig, die Gruppe zu fotografieren.
    »Augenblick!« Pflüger wies auf ein deutsches Flugzeugwrack im Hintergrund. »Es kommt nicht in Frage, dass ein abgestürztes deutsches Flugzeug mit auf dem Bild ist. Dort ist gut, vor dem zerschossenen T-34.«
    »Geht nicht«, sagte Bubi. »Die Sonne muss von hinten kommen.«
    Pflüger stellte missgestimmt fes t, dass sich seinem Protest niemand anschloss. »Ich werde so ein Bild nicht nach Hause schicken«, erklärte er steif und wollte die Gruppe verlassen.
    Hans hielt ihn lächelnd z urück. »Der Hintergrund wird sowieso völlig unscharf. Noch nie was von Tiefenschärfe gehört, Pflüger?«
    Wie immer, wenn er von etwas keine Ahnung hatte, wurde Pflügers Stimme besonders dienstlich. »Daran hatte ich nicht gedacht, Herr Leutnant.«
    Nach einigen weiteren Diskus sionen um die beste Platzverteilung, wobei Pflüger streng darauf achtete, möglichst weit von Gross entfernt zu stehen, konnte endlich das erste Foto gemacht werden.
    Wenig später erreichten sie gut gelaunt einen ehe maligen Sportplatz. Dort war die restliche Kampfgruppe vor Oberleutnant Haller angetreten. Haller, dessen vierte Kompanie praktisch nicht mehr existierte, hatte seine freundschaftlichen Verbindungen zu einem Major des Regimentsstabs genutzt und sich wegen kriegswichtiger Hygienemaßnahmen hinter der Front unentbehrlich gemacht. Da die Kampfgruppe ohne Ersatz sowieso nicht mehr einsatzfähig war, ließ Musk ihn gewähren. Verstärkt wurde dieses Kommando durch einen Zug Feldjäger, dessen Wachtmeister Slesina erhebliche Spielschulden bei Haller hatte, sowie einen lang aufgeschossenen Unterarzt, der sich auf der Pritsche eines Lastwagens gelangweilt in den Zähnen herumstocherte.
    Immer noch in Ferienstimmung schlenderten Hans und seine Leute auf die Gruppe zu. Sie hatten Haller seit Beginn des Angriffs nicht mehr gesehen. Der Leutnant blickte in die nervös blinzelnden Augen, die durch die Brille übernatürlich groß wirkten. Haller wirkte so hilflos, dass Hans beinahe Mitleid mit ihm bekam. Unwillkürlich musste er lächeln.
    Haller interpretierte es falsch. Betont dienstlich teilte er dem Leutnant mit, dass er ihm mit seinen Leuten für die Säuberung der ehemaligen Kolchosensiedl ung, jetzt Sektor C, Abschnitt 35, unterstellt sei. Er ließ die Männer in einer Reihe antreten.
    »Kaum haste mal durchgeatmet, geht die Schleiferei schon wieder los«, knurrte Rollo. »Wo war er denn, als wir vorne waren?«
    Haller  schien  seine  Kurzsichtigkeit  durch  ein  hervorragendes Gehör zu kompensieren. »Wenn es jemandem nicht passt, es kostet mich nur einen Anruf, und Sie si nd morgen wieder an der Front!«
    Für einen Augenblick spürte Haller die kalte Angst, die ihn jedes Mal beschlich, wenn er versuchte, tapfer zu sein. Er hasste sie, all die sogenannten Mutigen, die durch puren Zufall ein, zwei Einsätze überlebten und ihm damit ein schlechtes Gewissen verursachten. Mit rotem Kopf schritt er die Reihe der angetretenen Soldaten ab, blieb vor Fritz stehen.

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