Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
Vom Netzwerk:
zwinkerte Pflüger zu, der die weiteren Worte des Führers auf sich wirken ließ. Er legte den Kopf zurück und sagte langsam und gemütlich: »’n schöner, gemeiner Fickschlitten wär jetzt gerade recht. So ’ne richtige Schwanzklemme …«
    Rollo musterte sein Geschlechtsteil voll scheinheiliger Besorgnis.
    »Ob ich’s überhaupt noch kann? Meiner ist so klein, den kannste unters Mikroskop legen.«
    »Klarer Fall für die Forschung«, bemerkte Fritz nach einem kurzen Blick.
    »Mir hat so ’n Kamillenkarl hundert Märker versprochen, wenn ich ihm meinen für die Wissenschaft überlass«, sagte Wölk.
    Pflüger, bei dem die Worte des Führers einen tiefen Eindruck hinterlassen hatten, war noch nicht richtig beim Thema. »Wie war das?«
    »Ja, fürs Reagenzglas. Du weißt schon, er hätt’s meiner Familie geschickt.«
    Pflüger war konsterniert. »Dein Gerät?«
    »Quatsch, die hundert Mark.«
    »Dass ihr auch immer so ’n Schweinskram reden müsst!«, rief der Figaro aus dem Hintergrund und warf einen begehrlichen Blick auf Wölks Unterleib.
    »Ein Hunderter für den Johannes«, fuhr Wölk unbeeindruckt fort, »aber nur im erigierten Zus tand. Schön und gut, Herr Stabsarzt, sag ich zu ihm, aber der Iwan macht mir einfach kein Harten!« Wölk riss den Mund zum Lachen auf und kriegte von Fritz eine volle Ladung Wasser ins Gesicht.
    »He, ihr Saurüssel!«, schrie Pflüger und griff sich ebenfalls einen vollen Eimer.
    Gelächter und reichlich Wasser flogen durch die Gegend. Gross hatte die ganze Zeit regungslos in der Wanne gelegen. Nun aber nahm auch er einen Eimer Wasser und leerte ihn bedächtig über das Radio. Hitlers Stimme wurde undeutlich, verstummte.
    »Bist du verrückt?«, schrie der Figaro. »Das Gehäuse ist echt Mahagoni!«
    Pflüger war ebenfalls fassungslos. »Das war der Führer!«
    »Na und?« Fritz schleuderte eine Ladung Wasser in Pflügers Richtung.
    Dessen Gesicht wurde noch etwas kantiger. Die anderen stellten ihre Eimer auf den Boden zurück.
    »Sei ruhig, Fritz«, sagte Bubi leise.
    Pflüger richtete sich in seiner Wanne auf. »Das ist kein Spaß mehr. Das werd ich melden.«
    »Machen Sie keinen Quatsch, Pflüger!«, mischte sich Hans ein. »Für so was kann man erschossen werden.«
    Pflüger stellte zufrieden fest, dass der Leutnant unter seiner Uniform ziemlich eingegangen war. Wenn er etwa vorhatte, ihm zu verbieten, eine Beleidigung des Führers zu melden, sollte er sich lieber vorsehen. Es gab auch noch andere Punkte, die man zur Sprache bringen konnte. Seine negative Darstellung des SD-Einsatzes zum Beispiel.
    Pflüger war ein sorgfältiger M ann. Ein Mann, der Material sammelte und nichts vergaß. Er würde den gegebenen Zeitpunkt abwarten.
    »Entschuldigung, Herr Leutnant, aber das ist sein Problem. Und wenn …«
    »Achtung!«, schrie Rollo.
    Hauptmann Musk betrat in Begle itung eines Generals die Halle.
    Die Soldaten standen nackt in ihren Badewan nen stramm. Der kommandierende General Hentz, Ende fünfzig, klein, dick, mit Glatze und Schnauzer, deutete den Hitlergruß an. Trotz seiner Uniform vermittelte er eher den Eindruck eines Gemischtwarenhändlers. Man sagte ihm ein ebenso scharfes Auge für die strategische Lage wie für das eigene Bankkonto nach.
    An seiner Seite befand sich ein völlig verfetteter Dackel namens Oswald. Die beiden waren in Stabskreisen auch als der »kleine« und der »große Kugelblitz« bekannt.
    Lachend musterte der General die nackten Soldaten. »Weitermachen, Männer!« Er fasste mit der Hand in Fritz’ Wanne. »Ganz schön heiß.«
    Fritz konnte nicht umhin, dass ihm der General sympathisch war. Richtig zivil. »Draußen war’s noch heißer, Herr General.«
    Hentz nickte verständnisvoll. »Hab schon gehört.« Er wandte sich an alle. »Wilde Sau, was?«
    »Kann man wohl sagen, Herr General.«
    Hentz registrierte zufrieden das spontane Vertrauen in den Augen der Männer. Er war immer und überall beliebt gewesen, sein ganzes Leben lang. Fatalist, der er war, hielt er bewaffnete Auseinandersetzungen für ebenso tragisch wie unvermeidlich. Das Kriegshandwerk betrieb er, wie er jedes andere Handwerk betrieben hätte, rationell und gründlich.
    Was hier in Stalingrad seit Monaten geschah, dieses strategisch völlig sinnlose Ausbluten der stär ksten Armee an der gesamten Ostfront, ging ihm gewaltig gegen den Strich, so wie ihm der gesamte Russlandfeldzug von Anfang an nicht gepasst hatte. Was, um alles in der Welt, wollte man eigentlich in diesem

Weitere Kostenlose Bücher