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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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geholt; der Preis war günstig, so günstig, dass er schließlich erhöht wurde; das Vieh konnte ja etwas anderes fressen als Brot, das für die Menschen gebacken worden war.
    Die neuen Brotsorten in nie da gewesenen Formen, die allmählich in den Geschäften erschienen, die Mohnzöpfeund Kringel reizten mich nicht, obwohl alle anderen bereit waren, das Kolchosbrot zu vergessen. Ich fand, das Kolchosbrot war immer noch das Beste. Es wurde neuerdings manchmal vormileib , Kastenbrot, genannt, da leib schon etwas anderes bedeuten konnte als Kolchosbrot und da die Mehlsorten allmählich ebenso schmeckten wie im Westen und daraus nach finnischen Rezepten mit finnischen Maschinen Brot hergestellt wurde. Nur Kümmel wurde mehr als in Finnland verwendet, und so ist das noch heute. Von dem allgemeinen Furor des Einschweißens in Folie blieb einzig und allein das Kolchosbrot verschont, das immer noch das billigste war.

1964
    Da Katariina die gymnasiale Oberstufe besuchen darf, die sich in der Stadt befindet, erteilt der Kolchos ihr die Erlaubnis, in die Stadt zu gehen.
    Arnold freut sich darüber, dass der Kolchos seine Kinder nicht bekommt, auch wenn er das Übrige bekommt.
    In der Schule überreicht man Katariina das õpilaspilet , die Schülerkarte, auf der in siebzehn Punkten erläutert wird, wie ein Schüler sich zu verhalten hat.
    Regel Nummer eins: Es ist die Aufgabe des Schülers, beharrlich Wissen und Können zu erwerben, damit aus ihm ein vielseitig gebildeter und kultivierter Erbauer des Kommunismus wird.
    Regel Nummer vier: Bei all seinem Tun und Handeln hat der Schüler die Anforderungen der kommunistischen Moral zu befolgen.
    Als die Kolchosen unter einer Kartoffelkäferplage leiden, wird in der Biologiestunde gesagt, es sei die ehrenvolle Aufgabe eines jeden Jungpioniers, in einem Eimer Kartoffelkäfer zu sammeln.

1968
    Wenn Katariina irgendwelche Formulare ausfüllen soll, ist sie nicht bereit, an die Stelle, wo nach dem Beruf der Eltern gefragt wird, kolhoosnik , Kolchosbauer, zu schreiben. Landwirte gab es ja nicht mehr, seitdem der Boden gemeinschaftlich genutzt wurde, und Kolchosbauern würde Katariina ihre Eltern niemals nennen. Stattdessen schreibt sie Rentner. Jeder Mensch wird irgendwann Rentner.

1970
    Richard hat einen neuen Namen, einen neuen Geburtsort, eine neue Arbeit und eine neue Wohnung. Russisch spricht er schon lange so fehlerlos, dass es keinen Grund gibt zu bezweifeln, dass er laut Papieren ein Weißrusse ist. Seine Eltern wird er nicht mehr wiedersehen, aber immerhin leben sie wohlbehalten in Estland, er hat getan, was er konnte. Er hat auch schon eine eigene Familie, hatte ein in passender Weise rotes Mädchen kennengelernt, und das Mädchen hatte in passender Weise begonnen, ein Kind zu erwarten, und die Wohnung war gerade passend für seine Familie.
    Das Mädchen ist eine begeisterte Kommunistin, und im Dunstkreis der Kommunisten bewegen sich keine von Richards alten Bekannten, sofern noch welche am Leben sind und es überhaupt noch welche in Estland gibt. Richard ist in dem Haus, das für Kolchosmitarbeiter gebaut wurde und in dem es von dem russischen Gebrabbel der frisch eingezogenen Menschen nur so schallt, in Sicherheit. Das Mädchen hält in der Wohnung begeisterte Versammlungen ab, bekommt Orden für ihre heldenhafte Arbeit zum Wohle des Kolchos und wird Parteifunktionärin. Das Mädchen organisiert auch große Abendessen bei sich zu Hause und ist entsetzt, als Richard für die ersten gemeinsamen Abendessen eine Krawatte umbindet. Weg damit! Pfui! Bürgerlicher Aberglaube! Außerdem ist der junge Mann, mit dem sich das Mädchen früher getroffen hatte, gerade wegen des Tragens einer Krawatte aus dem kommunistischen Jugendverband ausgeschlossen worden. So etwas würde nichtnoch einmal passieren, nicht ihr, pfui , das war so peinlich! Pfui!
    Manchmal fahren sie nach Moskau zu Versammlungen, aber in Moskau wird Richard nicht ins Restaurant eingelassen, weil er keine Krawatte trägt. Seine Frau ist schon vorausgegangen, und Richard weiß nicht, was er machen soll, aber zum Glück hat der Oberkellner für solche Fälle einige Krawatten in Reserve, und Richard kommt mit der geliehenen Krawatte doch noch hinein. Diesmal wird seine Frau nicht böse, weil korrekte Kleidung doch dazugehört … an manchen Orten.
    Seine Frau liebt die Privilegien, die die Partei gewährt, und schwärmt Richard abends vor, wie herrlich es wäre, wenn auch sie so wie die Kreml-Frauen ihr Essen in der

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