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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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Ganzkörperfotos gibt es nur von Kindern vor der Pubertät. Die ärztliche Kolumne befasst sich nur mit Fragen der Gesundheit von Kindern. Rezepte und Strickanleitungen bietet jede Ausgabe, aber überhaupt keine Tipps zu Diät oder Gymnastik. Gekocht wird nur für Kinder und Familien, und nur Kinder können Probleme mit dem Essen haben – Was tun, wenn das Kind keinen Appetit hat? Wie um alles in der Welt kommt man in so eine Situation? Jede Nummer enthält Kinderreime in großer Zahl, aber über die Haarmode kann man nur berichten, indem man eine Frau interviewt, die als Friseurin arbeitet – erstaunlich genug, dass ein solcher Beruf eines Interviews für würdig erachtet wird. Jede Melkerin liebt ihre Arbeit und möchte keine andere, jede Agronomin ist zufrieden, wenn sie das Beste für den Kolchos tun kann, und die Meinung einer Melkerin, dass sich als Arbeitskleidung für Melkerinnen am besten eine Bluse mit kurzen Ärmeln eignet, ist wichtig genug, um gedruckt zu werden. Das Wort Arbeit dürfte das meistgebrauchte sein, Schönheit dagegen das seltenste, und Karriere ist ein völlig unbekannter Begriff. Oder nein, hier gibt es ja doch ein paar Zeilen als Antwort auf die Frage, wie oft man die Haare waschen kann, obwohl es in dem Artikel gar nicht um die Arbeit einer Friseurin geht.
    Ich möchte euern Speck sehen! Ich möchte eure behaarten Beine und die fleckigen Arbeitskittel der Fleischverkäuferinnen sehen! Ich erwarte hier eure Warzen, aus denen Haare sprießen, und eure schrillen Make-ups, die es nach diesen Pressebildern gar nicht gab. Ich vermisse auf diesenFotos eure Arme, die aus kurzärmeligen Kleidern heraushängen, und eure Ringe, die tief in das geschwollene Fleisch der Finger einschneiden! Oder auch eine jener Schönen, die mit ihren metallbeschlagenen Absätzen und kurzen Röcken die Viru-Straße entlangstöckeln. Ich möchte etwas von dem sehen, woran ich mich erinnere, was meine Welt war! Etwas von dem, was ich suche. Ich möchte wenigstens ein einziges Foto von einer Estin aus Tallinn sehen, die stolz mit einer Plastiktüte als Handtasche die Viru-Straße entlanggeht, in der anderen Hand eine Tortenschachtel, unterwegs zu einem Besuch – wo sind all die Damen mit ihren flinken Absätzen geblieben, die Torten, Blumen und Plastiktüten tragen! Ich möchte auf den Straßen Tortenschachteln und Gebäckkartons betrachten können, nicht Pizzakartons so wie in Finnland! Wo sind all die Durchschnittsrussinnen, die mit dem Schaukeln ihrer schweren Pobacken die Straßen erfüllten? Und die knielangen Faltenröcke, die oben ganz glatt geworden waren, weil da so viel Bauch und Hinterteil war, dass die Falten keine große Chance hatten … Und die Riemchensandalen, genau, nur Riemchensandalen mit schwindelerregend hohen Absätzen … Die bunten Kattunkleider und die grellroten Lippenstiftfarben, die grellblauen Lidschatten, alle Frauengesichter voll greller Farben, und die bis zu den Knien reichenden Kattunröcke, darunter nackte, unrasierte Beine, die in fortgeschrittenem Alter von Krampfadern gezeichnet waren, und die nackten, hart gewordenen Fußsohlen in den Sandalen, deren Zuschnitt jahraus, jahrein derselbe blieb. Frauen mit Schnurrbart, mit Lippenstift oder ohne, blauschwarze, frisch gefärbte Augenbrauen, alle von ein und derselben Farbe. Wo waren all die unfasslichen Berge aus sooooo langem Haar, dass jeder finnische Flachskopf vor Neid erblasst wäre, die älteren Frauen mit Dutt, die jüngeren mit Zöpfen, in die riesige Schleifen eingebunden waren. Ich möchte Schnurrbärte über dem Lippenstift, Beinhaare, Kattunkleider, keine Hosen, Kattunkleider mitkurzen Ärmeln, Sandalen und rissige Fersen, brüchige, dicke Zehennägel und Muttermale, Knubbel und Pickel, damit übersäte Gesichter, an den Nasenflügeln, auf der Nasenspitze, auf der Stirn, auf der Oberlippe, am Kinn, bewachsen mit kleinen, storren Haaren, die ebenso schwarz sind wie das Haupthaar. Frauen, die mit ihren Brüsten, Warzen, Kilos und Einkaufstaschen die Straßen verstopfen, die Zebrastreifen erstürmen, in das Kaufhaus fluten und den Einheimischen das Schlangestehen unmöglich machen, Lawinen von Russinnen überall wie Vene valitsus , wie Mutter sagt, sie kommen wie die russische Macht, über jede Mátuschka und Djéwuschka, die den ganzen Gehsteig einnahm, zischte Mutter dasselbe, tuleb kui Vene valitsus , sie kommt wie die russische Macht, und mit Vorliebe so, dass die Djéwuschkas Mátuschkas Nataschas Swetlanas es

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