Stalins Kühe
auch, aber ich sage niemals, warum. Dann finde ich in der Hausapotheke eine Creme, auf der steht, dass sie sich auch für Schrunden an den Brustwarzen eignet, und die benutze ich. Als das Eitern aufhört, werfe ich die alten Wattebäusche weg, immer einige auf einmal, und kaufe mir Büstenhalter. An den Brustwarzen bleiben für lange Zeit Narben zurück. Meine Haltung bessert sich allmählich und wird wieder so wie früher, und dank der engen Hosen mit dem Leopardenmuster drücke ich die Brust ganz heraus und bin stolz. Und – nachdem ich abgenommen habe – noch stolzer auf meinen wunderbaren Körper, der, wie ich finde, gut auf meine Befehle hört und alles, was mich umgibt, dazu bringt, mir zu gehorchen.
ICH
BIN
ZWÖLF Jahre alt. Wir sind auf dem Land bei Großmutter. Es ist dasselbe Jahr, in dem Mutter mit den Holzschuhen auf meine Brüste gezielt hat. Jemand spült in der Küche das Geschirr. Das muss Großmutter sein. Das Geschirr klappert. Meistens wäscht Mutter ab, das ist Mutters Arbeit hier auf dem Land, aber jetzt hat Mutter etwas anderes zu tun, sie steht vor mir in der vorderen Kammer und ist böse. Ich habe mich gerade angezogen, um mit Mutter vom Nachbarn in einer Fünf-Liter-Kanne Milch zu holen, aber Mutters Hand schlägt mich zu Boden und meine Lippenschminke zu einem roten Strich quer über das Gesicht. Ich bin schon ein zu großes Mädchen für solche Spiele. Angeblich sehe ich aus wie eine Nutte. Mutter kann mich nicht mitnehmen, weil ich nicht aussehe wie eine Ausländerin beziehungsweise nicht ausländisch genug gekleidet bin, um auch nur eine Kanne Milch zu holen.
Ich hatte geglaubt, dieser Sommer würde genauso sein wie die früheren. In der Stadt würde ich die Finnin spielen, in den Restaurants, bei Besuchen und in den Geschäften. Wir würden lange Einkaufsbummel machen, und ich würde Kartons und Stoffballen und Hüte und Schminkzeug bekommen, um sie bunt durcheinanderzuwürfeln hier auf dem Lande, wo außer mir, Mutter und Großmutter meist niemand anders war. In ihrer Gesellschaft hatte ich mich jeden Sommer mit Lippenstiften, Parfums und Nagellack amüsiert, die Mutter mich in Finnland niemals hätte anrühren lassen, weil diese Dinge zum Spielen zu teuer waren.Auf dieser Seite des Meerbusens bekam man für ein paar Rubel einen großen Haufen aller möglichen Herrlichkeiten, Lippenstifte, Strümpfe, Strumpfbänder, Haarnadeln, weiße Hüte mit Krempe und silbernem Rand. Auf diese Damenaccessoires aus der vergangenen Welt von Tallinn war ich ganz besonders erpicht. Es war für mich das größte Vergnügen der Reise, immer von Neuem einkaufen gehen zu können, vor der Ladentheke darauf zu warten, dass Spitzen Knöpfe Schnallen in Papier eingewickelt wurden und die Menschen in der Schlange zusahen, wie eine kleine Fünfjährige Strumpfbänder und Kämme und glänzende Knöpfe für einen Betrag kaufte, der einem Viertel des Monatslohns eines Erwachsenen entsprach, und wie dieser Betrag auf die Papierpäckchen geschrieben wurde oder auf extra Quittungszettel, von denen der eine zwischen die Päckchen geschoben und der andere mir ausgehändigt wurde. In manchen Geschäften kam auch die erste Quittung aus einer Registrierkasse, aber sonst wurde auf die gleiche Weise bezahlt. Hatten wir die Rechnung bekommen, mussten wir uns in eine andere Schlange, die Kassenschlange, einreihen, wo wir vor der ratternden Registrierkasse darauf warteten, den Rechnungsbetrag zu bezahlen, wonach wir eine Quittung bekamen, mit der wir zu dem Ladentisch zurückkehrten und wo wir gegen Vorlage der Quittung endlich unsere Einkäufe ausgehändigt bekamen. In allen auch nur etwas größeren Geschäften wurde nach diesem Schema verfahren. Zu dieser absurden Art des Ablaufs passte es gut, wie ich beim Einkaufen die feine Dame spielte, und wegen der großen Menge unserer Rubel durfte ich mit echten Rubeln Kaufladen in einem richtigen Kaufladen und feine Dame mit richtigen Einkäufen spielen. Deshalb hatte ich, der ewigen finnischen Strumpfhosen überdrüssig, hundert Paar Strumpfbänder und Strümpfe kaufen und mich bei Großmutter auf dem Land in all die nur zum Spaß gekauften Accessoires kleiden und meinem Aufputz Mutters altes Tanzkleid und ihrehochhackigen Schuhe hinzufügen dürfen, deren Absätze so dünn waren, dass sie aus Metall sein mussten, um das auszuhalten, und sie verursachten ein herrliches Geräusch, ich stöckelte darin auf dem Zementboden der Küche und auf dem mit Steinen gepflasterten Hof auf
Weitere Kostenlose Bücher