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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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und ab, tanzte in der vorderen Kammer vor dem Spiegel, den Großmutter zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, und stellte mir vor, wie ich die Kopfsteinpflasterstraßen der Altstadt entlangeilte und die Absätze in den schmalen Straßen und den Kirchen klackerten.
    Ein sowjetisches Modell blieb jahraus, jahrein unverändert, egal, ob es sich nun um ein Spielzeug oder um Kleidung handelte. Allerdings war auch der Preis derselbe, er wurde in der Fabrik aufgedruckt oder war schon in die Gussform des Produkts eingeprägt. Obwohl die Hüte und auch die Haarnadeln jahraus, jahrein dieselben blieben, hatte ich sie nicht so schnell satt wie das ewige sowjetische Spielzeug aus Schaumstoff. An den Spielwaren der Spielzeugabteilung und deren stark riechendem Sowjetkunststoff und seiner harten Oberfläche war nichts Interessantes. In Finnland hatte ich genug Barbiepuppen und so was. Frauensachen im Stil der alten Zeit waren jenseits der Grenze auch dann vorrätig, wenn es in dem Geschäft nichts anderes gab – außer Spitzen, Knöpfen und Haarnadeln hielt die Hutabteilung Hüte mit silbernem Rand oder einem blauen Seidenband bereit. Und nichts anderes im ganzen Haus. Nur diese absurden Hüte mit Krempe, die niemand ins Landesinnere schicken mochte, obwohl dort fast alles andere willkommen war. Mit Rubeln waren wir immer sehr gut ausgestattet.
    Jetzt hatte ich die Geschäfte abklappern dürfen so wie früher, aber mit meinen Einkäufen spielen durfte ich nicht einmal mehr auf dem Land. Was hatte sich geändert, warum musste ich jetzt auch hier die finnische Prinzessin spielen und mich nach der Etikette einer finnischen Prinzessin herausstaffieren, mit türkisfarbenen Turnschuhen und einemneongelben Top mit Reliefmuster, warum war es nicht mehr entzückend, wenn ich Mutters Tanzkleider anzog, die sich im Haus gefunden hatten, seit wann sah ich darin und mit meinem neuen Make-up wie eine Nutte aus, wann waren aus den Kleidern Fähnchen und künftige Teppichflicken geworden, obwohl ich selbst mich wie die Gräfin des nahe gelegenen Gutshauses aus dem vorigen Jahrhundert fühlte und blaublütiger als die blaueste Emaille von Großmutters Schüsseln oder die blauesten russischen Teetassen? Warum darf ich nicht hübsch sein? Warum muss ich jetzt ebenso hässlich sein wie du, Mutter? Mutter trägt Gummigaloschen, aber der rot-weiß gestreifte Trainingsanzug lässt ihre Kleidung auch auf dem Land genügend ausländisch wirken. Mussten meine Spiele zu dem Zeitpunkt enden, da mir Brüste wuchsen? Oder fiel der Zeitpunkt ihres Wachsens nur zufällig mit diesen neuen Regeln zusammen? Sodass, wenn ich wollte, dass die Großmutter gut behandelt wurde und man ihr half, wenn sie Hilfe brauchte, und wenn ich auch selbst Dienstleistungen bekommen wollte, ich finnisch aussehen und die allerausländischsten Sachen anziehen musste, stonewashed und davor schneegewaschene Jeans oder Jeansjacken? Alle woanders gekauften langen Hosen sahen ausländisch genug aus. Und auf keinen Fall solche großen Schleifen in die Haare, wie die russischen Mädchen sie trugen, und keinen Dutt und keine Haarnadeln, Gott bewahre.
    Denn ich will doch wohl, dass Großmutter es gut hat, oder?

1973
    Zu Ehren von Lenins Geburtstag hatten die Leute auf Katariinas Arbeitsstelle flaschenweise Branntwein mitgebracht, und alle hatten Spaß gehabt. Katariinas lustiger Tag geht am Abend mit dem Finnen weiter, als sie in die Kadriorg-Bar tanzen gehen. Der Oberkellner umschmeichelt den Finnen, lächelt strahlend und fragt, ob der Finne Kaugummi habe.
    Als sie aufbrechen, reicht der Oberkellner nur dem Finnen den Mantel, er tut, als bemerke er Katariina gar nicht, und will wieder an seine Arbeit gehen. Schließlich sagt der Finne: »Na?«, und da holt der Oberkellner den Mantel, hilft aber Katariina nicht hinein und lässt das auch den Finnen nicht tun, sondern wirft den Mantel über das Geländer und sagt, der ist dann für die da.
    Katariina weint erst zu Hause, nachdem der Finne sie mit dem Taxi heimgebracht und sich verabschiedet hat, diesmal ohne Kuss. Sie verbietet dem Finnen, ihr irgendetwas mitzubringen, und schon gar nicht Schnaps, und wenn die Flasche noch so schön ist! Die Flasche vom Finlandia Wodka, die sie von ihm bekommen hat und die jetzt leer ist, schenkt sie ihrer Freundin, die so eine schon lange haben wollte, ebenso wie einige andere, in die sie einheimischen Schnaps gefüllt hat, nachdem die Originalgetränke ausgetrunken waren. Jeder Gast wollte echten

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