S.T.A.L.K.E.R. 04 - Zone der Verdammten
trank ich den Wodka mit kleinen Schlucken, wie es mir einst ein Säbelträger beigebracht hatte.
Nicht übel.
„Bubna wartet seit gestern auf dich", sagte Joe, als von mir nichts mehr kam. „Du solltest ihn nicht so lange schmoren lassen. Du bist doch schon seit gestern aus der Zone zurück?"
„Wirklich? Er wartet schon seit gestern?", fragte ich erstaunt, ohne meinen Blick von der Augenweide auf dem Podest zu nehmen.
„Exakt."
„Na, dann kann er doch auch noch ein, zwei Stündchen länger warten", entschied ich munter. „Ist ja nicht aus Zucker. Wenn er schon seit gestern wartet, kann er auch noch ein bisschen länger auf mich verzichten. Oh, oh! Schau mal, wie sie mit allem, was sie hat, da herumkreist!"
Joe wurde nervös, was ich auch hatte erreichen wollen.
„Hör zu, Hemul", sagte er, und wie jedes Mal, wenn er nervös wurde, hörte man seinen baltischen Akzent heraus. „Halt mal den Ball flach. Bubna hatte eine wichtige Unterhaltung mit Che, und als er dich reinkommen sah, hat er das Gespräch sofort vertagt. Er wartet wirklich auf dich, verstehst du? Bitte, ärgere ihn jetzt nicht noch unnötig. Das wäre für uns alle nicht gut. Er war schon den ganzen gestrigen Abend auf hundertachtzig — weil er befürchten musste, seinen besten und coolsten Stalker wegen eines ungewöhnlichen Blowouts verloren zu haben."
„Coolsten?", hakte ich nach.
„Coolsten! Coolsten! Cooler, als fünf Elefanten, die übereinander stehen. Um Himmels willen, sprich mit ihm, sonst wird er zum Tier!"
„Was soll ich mit Bubna?", fragte ich philosophisch. „Was soll Bubna mit mir? Was soll eigentlich diese ganze Hektik?"
„Hör zu", druckste Joe herum. Es fiel ihm nicht leicht, sich auf mein Geplänkel einzulassen. Allerdings hatte er bereits verstanden, was ich erreichen wollte. Mich umzustimmen, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte — vor allem, wenn ich schlecht gelaunt war und auf stur schaltete —, war noch so gut wie niemandem gelungen. „Er lässt mich häuten, wenn er erfährt, dass ich dich nicht gleich zu ihm geschickt hab."
„Ach so ist das!", mimte ich den Erstaunten. „Also spielen wir nicht mehr länger das ,Ich bin der obercoole Barkeeper Joe, der Hemul rumschubsen kann, wie ich Bock drauf hab'- Spielchen?"
„Nein, spielen wir nicht mehr", sagte Joe unbehaglich.
„In Ordnung." Ich stellte mein noch halbvolles Glas auf die Theke. „Dann respektieren wir den Menschen kategorisch, wie einst ein Strauß aus dem Kinderfernsehen sagte." Ich packte Patogenitsch an seinem T-Shirt und schüttelte ihn. „Bruder, lass niemanden auf meinen Platz. Lass niemanden mein Glas leer trinken. Ich wäre dir sehr verbunden."
Patogenitsch formte mit den Fingern seiner linken Hand etwas in der Art von „Okay", und ich setzte ihm meine Mütze auf, als ich vom Stuhl herunterkletterte. Ich ging um die Theke herum und verschwand hinter Joe durch eine niedrige Tür, die zu den Geschäftsräumen der Bar führte. Die Tür wurde von einem ehemaligen Kollegen Goblins aus der Rugbynationalmannschaft bewacht, der unter dem Spitznamen Schnarcher bekannt war. Er schielte verdächtig auf mich, aber Joe nickte ruppig, was so viel bedeutete wie:Ist schon in Ordnung, er kommt mit mir Du musst ihn nicht totprügeln. Schnarcher seufzte enttäuscht.
Nachdem wir den Wächter erfolgreich hinter uns gelassen hatten, bewegten wir uns durch einen schmalen, verwinkelten Gang. Die Abzweigungen hier erinnerten an die Verästelungen in der Baugrube.Soweit ich mich erinnerte versahen pro dunkler Ecke zwei, drei Riesen ihren Dienst. Ich konnte sie aber in der Dunkelheit nicht sehen.
An der letzten massiven Tür, die an das Metallschott in einem U-Boot erinnerte, wartete der nächste Ex-Rugbyspieler auf uns:Waise. Offensichtlich war er von seinem Kollegen via Handy über unser Eintreffen informiert worden.
Beim Anblick Waises stämmiger Statur wollte man sich auf den Boden werfen und in Deckung gehen. Er tastete mich nachdenklich ab und nahm das Funktelefon in die Hand, das in seiner Bärenpranke vollkommen versank. „Hemul ist hier, Boss. Alles sauber."
Übrigens war Waise kein Spitzname, er hieß tatsächlich so.
Dass Bubnas Schutztruppe aus Rugbyspielern bestand, war nicht weiter verwunderlich. Er hatte früher — noch zu friedlichen Zeiten —selbst in der ukrainischen Nationalmannschaft gespielt und es sogar geschafft, eine Zeit lang als Trainer zu arbeiten. Seine ehemaligen Schützlinge waren bereit, für ihn selbst in
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