S.T.A.L.K.E.R. 04 - Zone der Verdammten
der Mafia anbot.
Damit konnte man eine hübsche Stange Geld verdienen, egal ob in der Bar oder im Wissenschaftslager am Bernsteinsee.
Natürlich musste man erst einmal untersuchen, ob es sich überhaupt um ein Artefakt handelte. Neue Varianten von Anomalien tauchten äußerst selten auf, aber sie waren möglich. Ich erinnerte mich, wie viel Panik seinerzeit die erstmals aufgetauchten Vogelkarusselle ausgelöst hatten.
Ich untersuchte die Anomalie mit dem Detektor, maß die Radioaktivität und bewarf es, wie es sich gehörte, von allen Seiten mit Bolzen. Dann wedelte ich mit einem langen Stock, den He-He für mich besorgt hatte, über und unter der Sphäre. Dabei war ich in ständiger Alarmbereitschaft. Ich würde den Stock sofort fallen lassen, wenn ich auch nur einen Anflug von Wärme, Stechen oder aber auch einfach nur ein komisches Gefühl verspürte.
Es schien alles in Ordnung zu sein. Allerdings war es höchst ungewöhnlich, dass es rings um dieses Ding keine Gravitationsfelder gab.
Die Touristen standen hinter mir und schauten meinen Kunststückchen mit offenen Mündern zu. So etwas hatten sie noch nie gesehen.
Ich auch nicht, aber das brauchten sie nicht unbedingt zu wissen.
He-He hatte seine hermetische Box im Kampf gegen den Brennpunkt verloren, deshalb nahm ich meine zur Hand. Ich schraubte die Öffnung auf, führte den Behälter vorsichtig unter das Artefakt und hob ihn langsam an, damit der bunte Apfel in der Falle saß, ohne die Wände zu berühren. Als mir das gelungen war, schloss ich den Behälter und hängte ihn zurück an meinen Gürtel. Die rätselhafte Sphäre schlug sofort gegen den Deckel und versuchte nach oben zu entkommen. Die Box hob sich leicht an, hielt aber an der Gürtelarretierung.
Nachdem wir das Agroprom hinter uns gelassen hatten und uns Richtung Bernsteinsee bewegten, atmete ich tief durch. Neben der Gravitationsanomalie, in die Stezenko fast geraten wäre, weil er für einen Augenblick unaufmerksam war, hatte ich etliche Artefakte einsammeln können — „Wolfstränen". Harte, anthrazitfarbene Tropfen, die in der Handfläche sofort warm wurden. Diese seltenen Gegenstände, die an Steine erinnerten, verfügten über eine nützliche Eigenschaft: Alle Gegenstände, die sich in ihrer Nähe befanden, verloren an Gewicht.
Einen der anthrazitfarbenen Tropfen steckte ich in eine Tasche meines Rucksacks. Die restlichen verteilte ich unter den Touristen und riet ihnen, es mir gleich zu tun, denn das Gewicht meines Rucksacks hatte bereits deutlich abgenommen.
Für He-He blieb keine „Wolfsträne" übrig, und er seufzte enttäuscht.
Bald darauf endete der Wald, und wir betraten einen ehemaligen Acker, der mit Unkraut und jungen Bäumchen bewachsen war. In der Ferne, zwischen den Inseln aus Büschen, war eine große glatte Wasseroberfläche zu erkennen.
Dorthin machten wir uns auf.
8.
DER BERNSTEINSEE
Wir erklommen eine Anhöhe, und plötzlich lag vor uns der Bernsteinsee — ein riesiger Spiegel aus himmelblauem Wasser, über dem langsam, aber für das Auge deutlich erkennbar, weiße Nebelschwaden aufstiegen. Im See selbst befand sich eine Menge alter Autos, sie durchstießen mit ihren Dächern fast die Oberfläche. Es waren alte Militärjeeps, Lkws, Verkehrsbusse und Krankenwagen. Die geraden Reihen verrosteter Technik liefen bis zur Mitte des Sees, wo sie von einem grünen Dunst eingehüllt wurden, der sich dort ballte.
Der Anblick war überwältigend und hinterließ einen tiefen Eindruck bei denen, die sich ihm zum ersten Mal ausgesetzt sahen.
Erwartungsgemäß staunten die Touristen nicht schlecht. Alvar schaltete schnell seine Kamera ein.
„Hemul!", rief Donahugh. „Warum sind die Fahrzeuge im Wasser?"
„Das ist ein ehemaliger Autofriedhof", erklärte ich. „Ein radioaktiver Friedhof. Nach der ersten Explosion im letzten Jahrtausend sammelte man die ganze Technik, die im Zuge der Evakuierung zum Einsatz gekommen war, an einem Ort. Hunderte von Lastwagen, Jeeps, Feuerwehrwagen, Bussen und Kränen. Dann, nach der zweiten Explosion, sank der Boden ein, und Wasser aus unterirdischen Quellen lief ein — so wurde das hier zum Unterwasserfriedhof."
„Very beautiful", sagte Gallager, der seine Hand schützend an die Stirn legte und die Gegend betrachtete.
„Sehr schön”, stimmte ich ihm zu. „Ein sehr schöner Wasserfriedhof. Pause, Herrschaften. Picknick mit Seeblick."
Es war höchste Zeit, etwas zu essen. In der Nähe lag seit dem letzten Blowout ein alter
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