Star Trek TNG - Doppelhelix 06 - Die Oberste Tugend
Tochter eines hochrangigen Regierungsbeamten hatte man ihr ihr ganzes junges Leben lang viel nachgesehen, sie verhätschelt und gehütet. Aber sie hatte niemals etwas auch nur im Entfernten Signifikantes geleistet.
Obschon andere sie beneideten und sie das bis zu einem gewissen Grad auch genoss, war ihre Position ihr immer wie eine Bürde erschienen.
Aber nun, endlich, handelte Ulassi aus eigenem Antrieb. Sie tat etwas, woran sie glaubte, anstatt so zu handeln, wie es von ihr erwartet wurde. Das war ein bemerkenswert berauschendes Gefühl.
Während sie kletterte, öffnete sie den Mund und hechelte, um so etwas von der Körperhitze, die sich aufgebaut hatte, loszuwerfen. Ihr Körper war schlank und attraktiv, aber Anstrengung nicht gewohnt, sodass er am nächsten Tag an allen Ecken und Enden schmerzen würde. Dessen war sie sicher.
Aber das war in Ordnung. Tatsächlich war die Aussicht darauf aufregend. Bis zu diesem Moment hatte sie ihre physische Form nur für selbstsüchtige Freuden genutzt. Die steifen Glieder, die sie morgen spüren würde, waren eine willkommene Erinnerung an die wertvolle Arbeit, die sie heute verrichtete.
Und endlich, als ihre Muskeln schon von der Belastung zitterten, erreichte Ulassi ein Plateau. Sie saß einen Moment still da, versuchte zu Atem zu kommen und überblickte das Terrain unter ihr. Die Aussicht war beeindruckend, aber Ulassi war nicht in der Stimmung die natürliche Schönheit dieses Ortes zu bewundern.
Berge, Wälder, die weitläufige Wasserfläche, die sich unter ihr erstreckte – was nützte dies alles schon, wenn ihr Volk versklavt war? Wie konnte sie sich an dem Ausblick erfreuen, wenn sie wusste, welchen Preis ihr Vater und andere dafür bezahlen mussten?
Einst war Cordra III unabhängig gewesen, in der Lage, von den Erträgen seiner Felder und seiner Wälder sein Volk zu ernähren. Nun benötigten die einst so stolzen Cordraziten den Handel. Und mit wem?
Mit Melacron V. Der Gedanke alleine ekelte sie schon an.
Einige Cordraziten, darunter auch Ulassis in Wohlstand geborener Vater, versuchten immer noch, den Frieden mit Melacron zu erhalten. Sie versuchten, ihre gewaltigen Differenzen beizulegen. Aber bei dieser Vorstellung wand sich Ulassis Magen wie ein gigantischer Larvenwurm.
Friede, dachte sie, mit dieser hässlichen, gewalttätigen, minderwertigen Rasse? Wie konnte jemand bei klarem Verstand so etwas in Betracht ziehen?
Angespornt von diesem Gedanken kletterte Ulassi wieder den heimtückischen Fels hinauf. Auf halbem Weg zu ihrem Zielpunkt rutschten ihre Füße ab und sie hielt sich ängstlich fest. Steine gaben unter ihr nach und prallten von der Felswand ab, während sie hinunterfielen und dann mit einem platschenden Geräusch im Wasser landeten.
Sie wäre gerade fast gestorben. Beinahe hätte sie ihr Leben in Ausübung von etwas Noblem verloren. Bei den Göttern, dachte sie, das war aufregend! Das war Leben!
Sie zitterte vor Leidenschaft, nervöser Unruhe und Freude zugleich, aber Ulassi erreichte endlich die Felszunge, die die ganze Zeit ihr Ziel gewesen war. Erst dann machte sie Halt und ruhte sich aus.
Einen Augenblick lang starrte sie in das Wasser unter ihr. Sie betrachtete ihre graue, mit Antennen versehene Reflexion und fand neues Vertrauen in die Entschlossenheit, die in ihrem Gesicht mit den goldenen Augen zu sehen war.
Damit gewappnet, damit gefestigt, schloss Ulassi die Augen einen Moment lang. Dann holte sie langsam und behutsam die Phiole des Todes hervor, die sie sicher in ihrer Taillentasche transportiert hatte.
Seltsam, dachte sie, als sie sie ins Sonnenlicht hielt. So ein kleines Ding – nur ein paar Milliliter Flüssigkeit – würde Tausenden den Tod bringen …
Und mit der Zeit einen großen, schrecklichen Krieg.
Ulassi öffnete die Phiole und schüttete den Inhalt ins Wasser. Nur ein paar Tropfen auf Tausenden von Litern waren notwendig, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Es lag fast etwas Ehrwürdiges in der Wirkkraft des Gifts, dachte sie verträumt. Etwas Wunderbares und Ungeheuerliches, wie der Richtspruch eines erzürnten, rachsüchtigen Gottes.
Zuerst jedoch waren es bedauerlicherweise ihre eigenen Leute, die Cordraziten, die sterben mussten. Das tat ihr leid, aber sie konnte nichts dagegen tun. Opfer waren notwendig, wenn die Änderungen stattfinden sollten, die ihre ganze Welt retten würden.
Und schon bald, dachte Ulassi, bald würden es die ekligen Melacronianer mit ihrem einzelnen Nasenloch sein, die
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