Star Trek - Vanguard 04 - Offene Geheimnisse
möchtest, dass die Klingonen deine Auslieferung fordern.“ Diese Neuigkeit hatte sich mit ungezügeltem Tempo auf der Station verbreitet und die ohnehin gespannte Atmosphäre nur noch verstärkt.
„Na bitte“, sagte Reyes und seufzte müde. „Ist es nicht schön, geliebt zu werden? Die Sternenflotte täte sich selbst einen Gefallen, wenn sie mich ihnen einfach übergäbe. Du kannst darauf wetten, dass die mich hinrichten, sobald ihre Verhandlung vorüber ist. Dann muss sich keiner mehr den Kopf zerbrechen über vertrauliche Informationen und den ganzen Kram. Jeder gewinnt.“
„Ich schätze, auf irgendeine eigenartige Weise ergibt das sogar einen Sinn“, sagte Fisher. „Geht aber nicht. Die bekommen nicht jeden Tag die Chance, einen Commodore kielholen zu lassen. Man würde dich erst vor Gott und allen Lebewesen vortanzen lassen, bevor man endlich ein Exempel an dir statuiert – was bei dem Tempo der Klingonen wohl irgendwann im kommenden Jahrhundert geschieht.“
Reyes kicherte. Es klang hohl, erzwungen. Nach einer kurzen Pause fragte er: „Wie geht’s T’Prynn?“
„Wie gehabt“, antwortete Fisher. „M’Benga kümmert sich seit drei Wochen rund um die Uhr um sie und versucht, Antworten zu finden. Er vermutet, dass jemand auf Vulkan Aufschluss über ihren Zustand oder dessen Ursachen geben könnte, doch bisher hat sich niemand dazu geäußert.“
„Noch ein Leben, das ich hätte retten können“, sagte Reyes. „Wenn ich nur meinen Mund aufgemacht hätte.“
Fisher gingen mehrere Erwiderungen durch den Kopf, doch entschied er sich letzten Endes zu schweigen. Es traf zwar zu, dass seine und M’Bengas Bemühungen den Zustand der vulkanischen Offizierin durch Reyes’ Verschluss ihrer medizinischen Unterlagen beeinträchtigt worden waren, doch war sich Fisher nicht sicher, ob diese einen allzu großen Unterschied gemacht hätten. Welches Leiden T’Prynn auch befallen hatte, hatte seiner Vermutung nach viel mehr mit den unerforschten Gegenden des vulkanischen Geistes als mit körperlichen Wehwehchen zu tun.
Jetzt klingst du schon wie M’Benga
.
Als Reyes nach Sekunden noch nicht wieder gesprochen hatte, entschied Fisher, das Thema zu wechseln. „Und? Bekommst du viel Besuch?“
„Nein“, antwortete Reyes und wandte den Blick ab, sodass er zum Boden starrte. In den Wochen, die seit seiner Verhaftung und Inhaftierung im Gefängnis der Station vergangen waren, hatte der Commodore außer seinem Anwalt nur einer einzigen Person erlaubt, ihn zu sehen: Fisher. Mitglieder der Brückenbesatzung hatten mehrere Versuche gewagt, die aber allesamt abgelehnt worden waren. Commander Cooper – Reyes’ Erster Offizier und die arme Seele, die aktuell mit der Leitung der Station betraut war, bis ein offizieller Nachfolger ernannt war – hatte die Leitung der Sternenflotte jeglichen Kontakt zum Commodore untersagt. Trotz dieser Anordnung hatte er mithilfe des Gefängnispersonals Nachrichten eingeschmuggelt, die sich allerdings auf Fragen des Protokolls und zu Abläufen beschränkten. Reyes ließ sie zu, versagte sich aber nahezu jeden weiteren Kontakt zur Außenwelt.
Die Stille, welche zwischen den beiden Männern hing, wurde langsam unangenehm, befand Fisher. „Hat Rana dich besucht? Vielleicht in offiziellem Auftrag?“
Reyes schüttelte den Kopf. „Wir hielten es beide für keine gute Idee. Sie ist der amtierende JAG-Offizier der Station. Und selbst wenn sie keine Funktion bei meiner Verhandlung hat, wird man sie zumindest in den Zeugenstand rufen. Das wird schwer genug für sie, auch ohne Gerüchte, nach denen sie mich zu weich anpackt.“
Fisher nickte bestätigend, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Captain Rana Desai, die leitende Repräsentantin des JAG-Korps der Sternenflotte auf Sternenbasis 47, hatte die wenig beneidenswerte Aufgabe gehabt, Reyes zu verhaften und ihn entsprechend den Wünschen der Sternenflotte anzuklagen. Zu den schwerwiegendsten Vergehen, die man ihm anlastete, gehörten Befehlsverweigerung, die Freigabe vertraulicher Informationen an Außenstehende und Verschwörung – und jedes einzelne reichte aus, um Reyes’ berufliche Karriere zu beenden. Am schwersten wog die Beschuldigung, Reyes habe dem Journalisten Tim Pennington gestattet, einen vernichtenden Enthüllungsartikel über die Geschehnisse im Jinoteur-System und auf Gamma Tauri IV zu veröffentlichen. Dadurch waren geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, und
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