Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
Explosionen waren gewaltig, rissen die Erde auf, verbreiteten Schrecken. Manche Granaten wurden zu hoch abgefeuert, krachten in den Wald hinter der Konföderiertenlinie, scheuchten Vögel aus den Bäumen auf und ließen Zweige und Blätter auf die Musiker und Kapläne und Diener und Sanitätssoldaten regnen, die in der Nachhut kauerten. Ein Regiment Berufssoldaten der U.S. Army rückte aus dem Schutz der Bäume hervor, formierte sich von einer Kolonne zu eine Frontlinie um, pflanzte die Bajonette auf und rückte mit den New Yorkern und den Männern aus New England hügelaufwärts vor.
Colonel Evans war zurück zur Mitte seiner Linie galoppiert, wo Colonel Sloans Männer aus South Carolina am Waldrand in die Hocke gegangen waren, um der feindlichen Artillerie kein leichtes Ziel zu bieten. Einige Schützen der Rebellen waren als Tirailleure über den Zaun vorgerückt und versuchten, die anrückenden Yankees durch Gewehrbeschuss zu stören, doch Starbuck, der sie am Waldrand vom Pferderücken aus beobachtete, sah kein Anzeichen dafür, dass dieses Gewehrfeuer jemanden traf. Der Gegner rückte stetig weiter vor, angetrieben von der Musik der Unions-Regimentskapellen weiter hinten und von dem Takt der Trommler, die mit ihren Kompanien ebenfalls vorrückten, sowie von der greifbaren Nähe eines ruhmreichen Sieges, der die Angreifer auf dem Kamm des Hügels erwartete. Dort waren nun Nathan Evans’ zwei alte Kanonen angekommen. Eine der Kanonen wurde hastig abgeprotzt, herumgedreht und feuerte eine Kugel den Hang hinunter. Die Kugel prallte auf der Erde ab, flog hoch über die Köpfe der Männer aus Rhode Island hinweg und ging in dem Wald hinter ihnen nieder, ohne Schaden zu verursachen. Kurz danach explodierte eine Granate der Union. Das Geräusch der Detonation war grauenvoll, ein Geräusch, als wäre das Universum selbst entzweigebrochen. Rauch und glühend heiße Metallfragmente wirbelten durch die Luft. Starbuck erschauerte. Das Artilleriefeuer an der Steinbrücke war beängstigend gewesen, aber das hier war viel schlimmer. Diese Kanoniere zielten direkt auf die Legion, und ihre Granaten rasten mit dämonischem Kreischen über ihre Köpfe.
«Tirailleure!», rief Major Bird mit überkippender Stimme. Er versuchte es erneut, und dieses Mal klang sein Ton fester. «Tirailleure! Vorrücken!»
Die Kompanien A und K bildeten die Flanken der Legion. Nun rückten sie vor, die Soldaten stiegen unbeholfen über den Koppelzaun und rannten über die Weide. Die Männer wurden behindert von ihren Gewehren, ihren Bajonettscheiden, ihren Jagdmessern und Habersäcken, ihren Feldflaschen, Munitionstaschen und den Beuteln mit Zündhütchen, die an ihrem Gurtzeug hingen. Etwa hundert Schritt vor der Legion bildeten sie eine lose Formation. Ihre Aufgabe bestand darin, die gegnerischen Tirailleure aufzuhalten und dann auf die Frontlinie der Angreifer zu schießen. Die Männer mit den Gewehren eröffneten das Feuer, sodass die knienden Scharfschützen alle in eine Rauchwolke gehüllt waren. Sergeant Truslow ging von einem zum anderen, während Captain Roswell Jenkins, immer noch im Sattel, mit seinem Revolver auf die viel zu weit entfernt stehenden Nordstaatler schoss.
«Überprüft, ob eure Waffen geladen sind!», rief Major Bird den übrigen acht Kompanien zu. Es schien reichlich spät für solch einen Rat, aber an diesem Morgen wirkte ohnehin alles unwirklich. Der Schulmeister Thaddeus Bird sollte ein Regiment in der Schlacht befehligen? Er kicherte bei dieser Vorstellung und erntete einen missbilligenden Blick Major Proctors. Die Yankees waren immer noch fünfhundert Schritt weit weg, kamen aber stetig näher. Die Offiziere der Nordstaaten hatten ihre Schwerter gezogen. Manche trugen die Klingen aufrecht, um möglichst beeindruckend und würdevoll zu erscheinen, während andere spielerisch Disteln und Löwenzahnblumen köpften, als wären sie auf einem Sonntagsspaziergang. Einige wenige saßen auf nervösen Pferden. Eines der Tiere war von dem Geschützfeuer so erschreckt worden, dass es durchging und mit seinem Reiter an der Angriffslinie des Nordens entlanggaloppierte.
Starbuck, der vor Beklommenheit einen trockenen Mund hatte, erinnerte sich daran, dass seine Savage-Pistole, die er Colonel Faulconer zurückgegeben und gerade erst wiederbekommen hatte, noch ungeladen war. Er zog die schwere Waffe aus ihrem langen, unförmigen Holster und öffnete den Zylinderverschluss, um die leeren Kammern freizulegen. Er nahm sechs
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