Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
war er gezwungen gewesen, eine so folgenreiche Entscheidung zu treffen wie jene, die er gerade gefällt hatte, eine Entscheidung, nach der die Nordflanke der Konföderiertenarmee nur noch gefährlich dünn besetzt war. Würde die Geschichte ihn als den Narren verspotten, dessen Dummheit den Nordstaatlern einen leichten Sieg beschert hatte? «Boston!» Evans fuhr in seinem Sattel herum und sah Starbuck finster an.
«Sir.»
«Du hast mich nicht belogen, Junge, oder?» Evans dachte an die Nachricht von dem Signalturm und versuchte sich davon zu überzeugen, dass er das Richtige getan hatte, aber Gott im Himmel, was hatte er nur getan? Weit hinter ihm, jenseits der Bäume und der Mautstraße und außer Sicht, grollten die Kanonen, und die Granaten schlugen in das Land ein, das er mehr oder weniger ungeschützt zurückgelassen hatte. «Hast du mich angelogen, Junge?», brüllte er Starbuck an. «Hast du gelogen?»
Doch Starbuck antwortete nicht. Starbuck sah den grimmigen Colonel nicht einmal an. Stattdessen starrte er den langen Abhang hinunter, wo zwischen den Bäumen auf der anderen Seite endlich die Yankees auftauchten. Reihe um Reihe Männer, die Sonne brach sich in ihren Gürtelschnallen und Rangabzeichen und Gewehrläufen und Säbelscheiden und auch in den polierten Mündungen ihrer Artilleriegeschütze, sodass all dieses Funkeln sie erscheinen ließ wie eine Armee der Gerechten, die gekommen war, um Gottes Land wiedererstehen zu lassen.
Denn der Norden hatte seine Falle zuschnappen lassen. Vier komplette Infanteriebrigaden, verstärkt mit dem Besten, was Nordamerika an Feldartillerie zu bieten hatte, waren in den Rücken der Rebellenarmee vorgestoßen, wo ein bunt zusammengewürfelter Truppenverband unter Führung eines whiskeysaufenden Grobians das einzige Hindernis auf dem Weg zum Sieg war. Nun mussten sie nur einen einzigen durchschlagenden Angriff führen, und der Sklavenhalteraufstand wäre nichts weiter als eine Fußnote der Geschichte, würde bald in Vergessenheit geraten, als Wahnwitz eines Sommers, der vertrieben und spurlos verschwunden war wie Rauch im Wind. «Gott segne dich, Boston», sagte Evans, denn Starbuck hatte doch nicht gelogen, und es würde einen Kampf geben.
Zwölf
D ie Yankees kamen schnell. Ihr Flankenmarsch vor Anbruch der Morgendämmerung hatte länger gedauert, als ihre Kommandeure erwartet hatten, und nun bestand ihre Aufgabe darin, den Rebellen heftig und schnell in den Rücken zu fallen, bevor die Südstaatler recht begriffen hatten, was vor sich ging.
Trommeln schlugen den Takt, als die ersten Regimenter der Nordstaaten ihre Angriffslinie bildeten und Kanonen auf den Flanken der Angreifer abgeprotzt wurden. Einige Geschütze wurden auf der Landstraße aufgestellt, andere auf dem Bauernhof am Fuße des Abhangs, und dann schossen sie die ersten kreischenden Granaten in Richtung des bewaldeten Hügelkamms hinauf, wo die dürftige Linie der Konföderiertenregimenter wartete. Die vorrückenden Yankees waren siegesgewiss. Sie hatten erwartet, dass die Sudley Fords verteidigt würden, dann halb befürchtet, dass die Südstaatler einen unbefestigten Bahndamm kurz hinter den Furten zur Verteidigungsstellung ausgebaut haben könnten, doch stattdessen waren sie auf keinerlei Widerstand gestoßen, als sie immer weiter um die Flanke der Rebellen herum vorrückten. Ihr Überraschungsangriff schien vollkommen gelungen, die komplette Unfähigkeit der Kommandeure des Südens erwiesen, und alles, was nun noch zwischen den Unionskräften und dem Sieg stand, war diese lächerliche Infanterielinie aus aufständischen Bauernjungen, die sich an einem Wald auf dem langgestreckten Hügelkamm entlangzog. «Auf nach Richmond, Jungs!», rief ein Offizier, als der Angriff den sanften Hang hinauf startete und hinter der blau uniformierten Infanterie eine Regimentskapelle «John Brown’s Body» anstimmte, als wäre der Geist dieses jähzornigen alten Märtyrers persönlich anwesend, um zuzusehen, wie die zwei führenden Regimenter – beide aus Rhode Island – die Gefechtslinie der Rebellen aufbrachen.
Weitere Truppen der Nordstaaten tauchten aus dem Wald hinter den vorrückenden Männern aus Rhode Island auf. Männer aus New York und New Hampshire schlossen sich dem Angriff an, während die Flankengeschütze grauweißen Rauch ausstießen. Die langen Grashalme vor der Kanone wurden vom Luftdruck des Abschusses in kurzlebige, fächerförmige Muster gebeugt, als die Granaten den Hang hinaufrasten. Die
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